■ Der machtbewußte Kanzler und das Bundespräsidentenamt: Wer entwürdigt das Amt?
Die Würde des Bundespräsidentenamtes sei gefährdet, warnen solche, die in Wahrheit nur meinen, der Kanzler dürfe für seinen persönlichen Vorschlag nicht kritisiert werden. Aber gerade um der Würde des Amtes willen tut diese Kritik not. Was immer für Qualitäten in einem Kandidaten stecken mögen, er müßte sie, um zum ersten Repräsentanten des Staates gewählt zu werden, zuvor für alle sichtbar und überzeugend bewiesen haben. Es geht nicht, daß einer uns vorgesetzt wird, der sich bislang nur durch ein paar sozial unsensible Äußerungen, aber noch durch keinen einzigen achtungserweckenden Beitrag zum politischen Leben in unserem Land bekanntgemacht hat. Wenn es einer aus dem Osten sein sollte – wofür manches spricht –, dann dürfte es doch nur einer sein, der sich in der ostdeutschen Bürgerbewegung, aus der die friedliche Befreiung vom SED-Regime hervorgegangen ist, einen besonderen Namen gemacht hat – wie Jens Reich etwa.
Der machtbewußte Kanzler will – nur das ist deutlich – nicht noch einmal im Schatten eines Bedeutenderen und obendrein Unbequemen stehen. Aber das Volk, von dem laut Verfassung Art. 20 alle Staatsgewalt ausgehen soll, muß beanspruchen, von dem Würdigsten – eben wegen der höchsten Würde dieses Amtes – repräsentiert zu werden. Diesen Auftrag mißachtend, würden die Mitglieder der Bundesversammlung unserer Demokratie wie unserem äußeren Ansehen schaden, nicht zuletzt dem Kandidaten einen schlechten Dienst erweisen. Horst-Eberhard Richter
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