: Der letzte Mieter geht nicht raus
PROTEST 20 Aktivisten der Kampagne „Zwangsräumung verhindern“ besuchten Saga-Büro in Harburg, um eine Wohnungsräumung in Rönneburg zu stoppen
KATHERINA JUNG, AKTIVISTIN
Protest gegen Zwangsräumungen nun auch in Hamburg: Gestern Morgen besuchten rund 20 Aktivisten der Kampagne „Zwangsräumungen verhindern – Mietenwahnsinn stoppen“ die Außenstelle des Wohnungsunternehmens Saga in Harburg, um die Räumung des letzten Bewohners des Hauses Hüllbeen 12 in Rönneburg zu verhindern. Die Protestler forderten im Beisein des Betroffenen das städtische Unternehmen auf, den für Donnerstag anvisierten Rausschmiss sofort zu stoppen.
Seit 2003 waren in der Wohnanlage mit 57 Parteien Obdachlose untergebracht, die im Verlauf des Projektes „befristet Mietwohnen“ vom städtischen Träger „Fördern und Wohnen“ (F&W) auf ihre Sozialverträglichkeit getestet werden sollten. Das Projekt endete offiziell Ende 2012 – nicht ohne Erfolg. 27 Bewohner waren zuletzt laut dem Obdachlosenmagazin Hinz und Kunzt als sozialverträglich eingestuft worden. Doch weder die Saga noch F&W haben ein Interesse, das Projekt fortzuführen. Die umfassende Betreuung durch Hauswarte und Sozialarbeiter sei „wirtschaftlich nicht umsetzbar“, sagte F&W-Geschäftsführer Rembert Vaerst dem Magazin und versprach: „Niemand muss aus seiner Wohnung in eine Notunterkunft ziehen.“ Auch die Saga wäscht ihre Hände in Unschuld. „Wir haben nicht die Zwangsräumung veranlasst, sondern Fördern und Wohnen“, verteidigt Saga-Sprecherin Kerstin Matzen das Unternehmen gegenüber der taz. Fördern und Wohnen habe allen Bewohnern eine Ersatzunterkunft angeboten, sagt Matzen. „Einige haben auch bei uns eine Wohnung bekommen.“
Für die Gentrifizierungs-Kritiker hat der Vorgang jedoch System. „Der Fall Harburg-Rönneburg ist paradigmatisch für die auf Profitabilität ausgerichtete Politik der Saga“, sagt die Sprecherin des Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“, Katherina Jung. Die Häuser befänden sich in einer guten Wohnlage, die eine rasante Mietpreis-Entwicklung erwarten lassen. Als städtisches Unternehmen wäre es gerade Aufgabe der Saga, „dem allgemeinen Mietenwahnsinn entgegenzuwirken“, sagt Jung.
Doch genau das Gegenteil sei der Fall. Es werde rein nach unternehmerischen Kriterien gehandelt, die zur Verdrängung von Menschen aus aufstrebenden Stadtteilen führe. „Wir fordern von der Saga, dass sie die Mieter von Fördern und Wohnen ohne weitere Mieterhöhungen übernimmt und von F&W die Aussetzung der drohenden Zwangsräumung“, sagt Jung. Der Fall zeige, dass die Saga dazu benutzt werde, so Jung, „um Geld in die Stadtkasse zu spülen, anstatt der sozialen Verantwortung gerecht zu werden“. KAI VON APPEN