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Archiv-Artikel

Der ist doch gekauft!

Schiedsrichter waren die letzten sakrosankten Figurenim Fußballgeschäft. Jetzt ist auch dieser Mythos entkernt

Mitte des 19. Jahrhunderts ging es noch ohne sie. Als ein paar englische Gentlemen, so sagt die Legende, damals begannen, Fußball zu spielen, da galt Fairplay als oberstes Gebot. Als der edle Sport nicht mehr nur von der Upperclass, sondern zunehmend vom Rest der Bevölkerung ausgeübt wurde, klappte die Verständigung nicht mehr so gut. Etwa ab 1874 tauchten die ersten Schiedsrichter auf den Fußballplätzen auf. (Gelbe Karten wurden erst 1970 eingeführt.)

Der Schiedsrichter entwickelte sich als „Unparteiischer“ im Mikrokosmos Fußball zwischen Spielern, Trainern und Fans zu einer Art mythischen Figur. Seine „Tatsachenentscheidungen“ waren qua Regelwerk so gut wie unantastbar, er selbst bald völlig unverzichtbar als letzte Ausrede für alle anderen Beteiligten.

Noch am vergangenen Freitag wurde Schalkes Manager Rudi Assauer nicht müde zu verkünden, dass es doch der Schiedsrichter Markus Merk war, der den Schalkern 2001 die Meisterschaft gestohlen hatte. In der Realität hatte Merk damals in der Nachspielzeit einen regelkonformen Freistoß für den Konkurrenten FC Bayern gepfiffen, Schalke in den Spielen zuvor einen komfortablen Punktevorsprung vergeigt. Doch die Geschichte über den bösen Schiri klingt irgendwie besser.

Nie allerdings hätte es Assauer gewagt zu behaupten, dass sich Schiedsrichter Merk mit seinem Pfiff irgendeinen Vorteil hätte verschaffen wollen. Die Unparteiischen galten, so verhasst sie mitunter waren, als sakrosankt, geradezu als Heilige in einem mitunter schmutzigen Geschäft, obwohl sie jahrzehntelang so gut wie gar nichts verdienten und bis heute nur einen winzigen Bruchteil dessen erhalten, was selbst mittelmäßige Profis bekommen.

Dennoch: Korruption war in Deutschland kein Thema. Unsere Schiedsrichter konnten betrunken sein, bei Weltmeisterschaftsspielen ihre Zähne und Karten verlieren, durch den Ball k.o. geschossen werden – aber sie waren für eines nicht empfänglich: Geld. Seit am Samstag der Betrugsverdacht gegen den Berliner Schiedsrichter Robert Hoyzer publik wurde, ist auch dieser Mythos entkernt.JÖRG SCHALLENBERG