: Der gläserne Sarkophag
■ Berlins Palast der Republik steht leer: Soll an seiner Stelle das ehemalige Stadtschloß wieder aufgebaut werden?/ Interessenten für das „Filetstück“
Berlin. Als gläserner Sarkophag steht der seit einem halben Jahr geschlossenen Palast der Republik im Zentrum Berlins. Kurz vor dem Ende der ehmaligen DDR kam auch für das Prestigeobjekt des Arbeiter- und-Bauern-Staates am 19. September 1990 das Aus. Beim Bau vor fünfzehn Jahren waren 720 Tonnen Spritzasbest verwendet worden. Obwohl sich Investoren für das „Filetstück“ auf dem Berliner Immobilienmarkt interessieren, gibt es Pläne, den Renommierbau abzureißen und an seiner Stelle das alte Stadtschloß zu rekonstruieren — geschätzte Kosten: etwa zwei Milliarden Mark. Allein die Unterhaltung verschlingt nach Angaben der Oberfinanzdirektion Berlin monatliche mehrere hunderttausend Mark. Doch noch zögern Politiker mit einer Entscheidung.
„Innerhalb von vierzehn Tagen könnten wir hier alles wieder in Betrieb nehmen“, sagt Rainer Oeler wehmütig, der für die Instandhaltung des monumentalen Bauwerkes zuständig ist. Im spärlichen Licht der Notbeleuchtung wirken die holzgetäfelten Flure im ehemaligen Sitz der DDR-Volkskammer geradezu gespenstisch. Von der Außenwelt dringt kein Laut in die teppichbodengedämpften Räume des Volkskammerpräsidiums. Wo einst die letzte Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl residierte, erinnern nur noch Staubschatten an die Existenz des DDR-Signets über ihrem Schreibtisch. Das Erbe der Volkskammer wurde zum 31.Dezember 1990 abgewickelt.
„Der Palast der Republik wird ein Haus des Volkes sein, eine Stätte regen politischen und geistig-kulturellen Lebens“, verkündete der ehemalige DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker zum Richtfest 1974. Nach 1.000 Tagen Bauzeit war sein persönliches Prestige-Objekt im April 1976 auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Stadtschlosses fertiggestellt. Während im Westen der Prunkbau hauptsächlich als Polit- Zentrale bekannt war, nutzten seit seiner Entstehung 70 Millionen Besucher das Gebäude für allerlei Vergnügungen.
Mit Restaurants, Bars, einer Galerie, dem Palast-Theater und dem großen Veranstaltungssaal mit etwa 5.000 Sitzplätzen wurde der Palast schnell zum beliebten Treffpunkt in der Ostberliner City. Von den Hauptstädtern wurde der stets hell erleuchtete Glaspalast aus Stahl, Beton und Marmor in „Palazzo Prozzo“ oder „Honeckers Lampenladen“ umgetauft. Während sich das gesamte Mobiliar und die Ausstattung noch im Gebäude befinden, ist mit dem Abtransport der Pflanzen das letzte Lebendige aus dem Bauwerk entschwunden.
Im Foyer ist die Atmosphäre so kalt wie der ausgelegte weiße Marmor. Von ehemals 1.800 Beschäftigten erledigen heute nur noch 60 Mitarbeiter die nötigsten Arbeiten. Aus der Zentralküche im Keller dringt muffiger Geruch wie aus einem lange abgestellten Kühlschrank. Die Luft ist überall stickig, und Staub überzieht alles mit einem leichten Schleier.
Investoren wollen den Palast als Geschäftszentrum nutzen und so wieder zum Leben erwecken. „Wir haben mehrere Anfragen honoriger Unternehmen aus den USA, Japan, Deutschland und Skandinavien“, sagt Finanzpräsident Klaus Richter, der stellvertretend für die Bundesregierung das DDR-Erbe verwaltet. Die zu erwartenden Sanierungskosten von 150 bis 200 Millionen Mark drücken jedoch auf den Preis der Immobilie. Entscheidungen müßten hier schnell gefällt werden, denn das langsame Sterben des Palastes strahlt auch auf die Umgebung im Herzen der neuentstandenen Spree-Metropole aus. Stefan Michalk/dpa
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