Der füllige Mythos

Im ersten Volleyball-Finalspiel treibt Erfolgstrainer Olaf Kortmann seinen SC Charlottenburg zum 3:1-Sieg gegen Bayer Wuppertal  ■ Aus Berlin Holger Gertz

Nein, wie ein Vorturner sieht Olaf Kortmann, Volleyballtrainer des SC Charlottenburg Berlin, nicht aus. Zu teigig ist die Hüfte, der Blazer spannt an allen Ecken, die Hose hat über dem runden Bauch nicht den rechten Sitz. Von zerknautschtem Charme ist der Coach, welcher den Experten als bester Übungsleiter im Land gilt. Die Männer des Hamburger SV hat er vor Jahren zum deutschen und europäischen Spitzenteam gemacht, gerade haben die Frauen des USC Münster unter seiner Anleitung Titel und Europacup gewonnen. Sein Image könnte besser nicht sein: Wo Kortmann ist, heißt es bei den Volleyballern, ist der Erfolg.

Da stört auch die Leibesfülle wenig. Vormachen, wie man die Bälle fachgerecht pritscht und baggert, muß Kortmann den Berlinern ohnehin nicht. Das haben die schon gekonnt – und in insgesamt über 900 Länderspielen bewiesen –, bevor sie sich Anfang der Saison in die Obhut des „Trainer-Magiers“ (BZ) aus Hamburg begaben. Statt dessen machte er sich daran, das eigene in reichem Maß vorhandene Selbstvertrauen auf seine als zögerlich bekannte Mannschaft zu übertragen. Frecher müßten die Spieler werden, ihren Gegnern den eigenen Willen aufzwingen, hat Kortmann vor Monaten als Ziel vorgegeben. Inzwischen ist der Plan erfüllt: „Wenn die anderen uns anschreien, schreien wir zurück“, sagt Mittelblocker Robert Dellnitz. Und Kollege Frank Hölzig rühmt, „daß uns Kortmann beigebracht hat, hin und wieder auch ein Schwein zu sein, die Gegner aus dem Tritt zu bringen“. Der neugewonnenen mentalen Stärke beugen mußten sich zuletzt die Kontrahenten vom Moerser SC. In drei knappen Spielen rangen die Berliner den von Vielen favorisierten Titelverteidiger nieder und qualifizierten sich selbst für die Endspiele um die deutsche Meisterschaft.

Beim ersten Finale gegen den SV Bayer Wuppertal hatten die Charlottenburger nur im ersten Satz (11:15) Probleme, danach konnten sie das unter Kortmann Erlernte erneut gewinnbringend anwenden. Nach jeder gelungenen Aktion bauten sich die SCC-Hünen Dellnitz, Triller und Hölzig hinter dem Netz auf und schickten triumphierende Blicke auf die andere Seite. Die Gegner, namentlich Paul Schmeing und Markus Epping, machten es genauso; im zweiten Satz donnerten sich beide Teams die Bälle ins Feld, beschimpften sich wüst und irritierten sich mit obszönen Gesten. Annahmefehler hier, Angabefehler da, Diskussionen um jeden Punkt, 1.800 Zuschauer standen auf den Stühlen. Schließlich hatten die Berliner den Satz mit 15:12 gewonnen und damit praktisch auch das Spiel. Die Wuppertaler waren geschockt, Zuspieler und Leitfigur Lee Hee Wan konnte seinen Kollegen nicht den Weg zum Erfolg weisen, die Ballannahme des gesamten Teams war, befand Coach Stephan Mau, „vom Ende des zweiten Satzes an katastrophal“. Den dritten Satz gewann der SCC mit 15:4, den letzten mit 15:11, das Spiel mit 3:1. Vorteil Berlin im Streit um den Titel.

Eine Niederlage, die Wuppertals Coach Stephan Mau besonders schmerzte. Zumal er befürchten muß, daß seine Mannschaft erneut nur zweiter Sieger wird in der Meisterschaft – vor einem Jahr war sie an Moers gescheitert. Nichts sei einzuwenden gegen gesundes Selbstvertrauen, sagte Mau nach dem Spiel, aber was die Berliner veranstaltet hätten, „war einfach unfair“. Besonders Frank Hölzig: „Pisser“ hat Mau ihn sagen hören, auch wiederholt „Arschloch“. Das sei doch wohl zuviel der vom Trainer verordneten Aggressivität, sprach Mau und weigerte sich standhaft, Kortmann die Hand zu reichen zur Gratulation.

Was der nicht verstehen konnte. In einem Finale gehe es nun einmal hektisch zu, und auch die Wuppertaler hätten kräftig beigetragen zur feindseligen Atmosphäre auf dem Parkett. Aber ansonsten wird ihn das Gekeife des Kollegen nicht weiter gestört haben – wo der Erfolg ist, sind die Neider halt nicht fern. In Gedanken, sagt Kortmann, sei er ohnehin längst beim Rückspiel am Sonntag in Wuppertal. Gut aufschlagen müßten seine Leute da, genauso gut wie in Berlin, „dann haben wir eine Chance“. Und wenn die Berliner Meister werden, wird Olaf Kortmanns Ruhm sich weiter mehren. 37 Jahre ist der Mann erst alt und doch fast schon ein Mythos.