: Der fremde Blick
Rita Müller-Eisert ist eigentlich Ostblock-Agentin. In der Bundesrepublik der Siebzigerjahre soll sie Regierungsgeheimnisse ausspionieren. Doch irgendwann wird ihr das zu langweilig. Stattdessen dokumentiert sie mit Mikrofon und Kamera die konkrete Wirklichkeit in der Bundesrepublik, weil sie überzeugt davon ist, dass hier die wirklichen Geheimnisse liegen. Es ist kein Zufall, dass Alexander Kluge in seinem Fernsehfilm „In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod“ von 1974 die ungewöhnliche Perspektive dieser Frau wählt, um etwas über deutsche Verhältnisse zu erzählen. Schließlich ist Kluges „fremder“ und neugieriger Blick auf die scheinbar so „normale“ Realität so etwas wie sein Markenzeichen geworden. Dem Jurist, Schriftsteller, Theoretiker, Fernsehautor und Filmemacher widmet das Kino Arsenal derzeit eine Retrospektive, die nicht nur seine bekannten (Kino-)Filme wie „Abschied von gestern“ zeigt, sondern auch seine Fernseharbeiten. Ähnlich wie in seinen Fernsehsendungen, wo er schon mal gefakte Interviews mit Schauspielern führt, vermischen sich auch in Kluges früheren Arbeiten Fiktion und Dokumentation. Denn eigentlich gibt es zwischen beiden gar keinen Unterschied.