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■ Der erste Mobilfunkanbieter für HomosexuelleSchwule Handys

Telefonieren Schwule und Lesben anders? Auf jeden Fall viel häufiger. Ständig brauchen sie brandheiße Informationen: Wo trainiert die lesbische Fußballmannschaft, wann findet das Hella-von-Sinnen-Konzert statt, und wo treffen sich die Gay Manager der Stadt zum Stammtisch? So zumindest sieht es der Masterplan der Pride Telecom vor, dem ersten Mobilfunkanbieter für Homosexuelle. Mit der „PrideGayGuide“-Infoline sollen „rosarote Zeiten der Kommunikation anbrechen“.

Solche Bedürfnisse wollen natürlich sorgfältig generiert sein: Bei der Pressepräsentation in einem Berliner Hotel kuscheln sich auf Werbeplakaten lachende Lesben beidseitig an den Hörer, und ein behaarter Männeroberkörper greift sich in die aufgeknöpfte Hose, als hänge der Handy-Halfter neuerdings im Schritt. Was das mit Telefonieren zu tun hat, wissen selbst die Leute vom Pride-Telecom nicht so genau: „Homosexuelle leben einfach mehr im Jetzt, und, vor allem, sie konsumieren mehr.“

Und im digitalen Geschlechterkampf mutiert die Gay Community ganz schnell zum Marktsegment, das es abzuschöpfen gilt: „Bis zu 400.000 Schwule und Lesben werden in den nächsten drei Jahren Mobilfunkteilnehmer“, prophezeit Geschäftsführer Jan Bommer, und auch Dieter Hähle vom Service-Provider TGM, der Pride-Telecom technisch unterstützen wird, läuft es schon jetzt wohlig den Rücken runter: „Ein ungeheuer großes Potential“, sagt er voller Vorfreude.

Ansonsten hat man sich in puncto Marktforschung fast ganz auf den Bauch verlassen. Außer wenigen Interviews im Rahmen einer Untersuchung der Zeitschrift Magnus und Zahlen aus Australien, nach denen Homosexuelle das Telefon häufiger nutzen („Das ist doch intuitiv klar“), machte sich Bommer Mut. „In zwei Jahren erwarten wir eine fünfstellige Kundenzahl.“ Also irgendwo zwischen 10.000 und 99.000.

Für ihren Markteintritt am 15. Mai im Rahmen der Homosexuellen-Olympiade Eurogames haben Pride, TGM und die Telekom eine einbruchssichere Kausalkette geknüpft: Schwule und Lesben haben keine Kinder, dadurch mehr Zeit zum Arbeiten, wodurch sie mehr Geld verdienen, um es in der Freizeit auszugeben. Und schon klingelt es bei der Dame vom Amt, respektive von Pride-Telecom, die im persönlichen Gespräch wichtige Szene-News vermittelt. „Bei uns laufen keine Bänder“, sagt Mitgeschäftsführer Bommer und läßt dabei ganz außer acht, daß nicht jeder Anrufer auf einen Small talk mit der Ansage aus ist. Reizvoller als die Hotline dürften da schon die Tarife sein: denn Pride-Telecom ist im Monat fünf bis zehn Mark billiger als andere D1-Anbieter. Auch für Heteros.

Um der „Homobilität“ zum Durchbruch zu verhelfen, will Pride-Telecom die Gay Community imageträchtig unterstützen: Die Deutsche Aidshilfe erhält pro Kunden 1,75 im Monat, die anvisierten 30 Arbeitsplätze werden mit Lesben und Schwulen besetzt, und aidskranke Mitarbeiter der Telekom sollen bei Pride die Info- Datenbank bedienen. „Auf diese Weise wollen wir die Familie stärken“, sagt Jan Bommer und zückt einige oberstarke Handys, bunt lackiert mit dem Emblem der Eurogames oder in identitätsstiftenden Regenbogenfarben. „Das dürfte besonders die Lesben ansprechen.“

Der Renner aber unter den „Homo-Phones“ dürfte der athletische Männerkörper sein, dem Mann bei Anruf in die Eichel sprechen kann. Und wer sich nicht unbedingt mit einem rosa Winkel in Form farbenfroher Handys outen will, kann auf Altbewährtes zurückgreifen. Oliver Gehrs

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