■ Vor dem Ende des Krieges in Bosnien?: Der dritte Mann
Es ist wieder einmal soweit: (noch) ein Ende des bosnisch-herzegowinischen Krieges wird in diesen Tagen in Genf perfektioniert. Der erste prinzipielle Schritt war die Bereitschaft der Staatengemeinschaft, die „Realitäten“ anzuerkennen. Aber zur Sache kam man erst am Montag: die militärische (und politische) Neutralisierung der Hauptstadt des ehemaligen Bosnien-Herzegowina, Sarajevo. Man versucht, aus Sarajevo eine Kombination aus Wien nach 1945 und Berlin nach 1961 zu machen. Denn die Entmilitarisierung der Stadt bedeutet eine für alle Einwohner fremde (UNO-)Polizei als De facto-Besatzungsmacht (fremde Polizisten im Jeep, bekannt aus dem legendären „Third Man“). Und, fast wie in Berlin, wird die Administration von den lokalen drei Mächten, Moslems, Serben, Kroaten, kontrolliert, die Stadt aber auch territorial aufgeteilt, wenngleich nur in der Peripherie; der Hauptort der serbisch-bosnischen „Republik“, Pale, wird aus Sarajevo ausgenommen.
Fünf nicht nur symbolische Bedeutungen charakterisieren diesen Beschluß:
a) das Ende der politischen Existenz des bosnischen Staates, obwohl man im Beschluß tröstend über eine provisorische Lösung bis zu neuen Wahlen und einer neuen Verfassung spricht; das Modell für weitere ethnische Abgrenzungen wird in Sarajevo, dank der dreifachen Legitimierung der Administration, nicht angetastet;
b) die internationale Kontrolle kommt viel zu spät und in einer viel zu begrenzten Form. Aber auch das zeigt, daß die Entmilitarisierung und ein UNO-Mandat für die ganze ehemalige Republik doch eine vernünftige Möglichkeit war;
c) die Prinzipien einer ethnisch bestimmten Politik haben – mit der eindeutigen internationalen Anerkennung – endgültig gesiegt; das zeigt sich besonders in Sarajevo, wo nach der Volkszählung von 1991 zweimal soviel „ethnische Atheisten“ (inklusive „ethnische Jugoslawen“) wie beispielsweise Kroaten gelebt haben. Die dürfen jetzt kein einziges Wörtchen zur Zukunft ihrer Stadt mehr sagen.
d) mit der „Endlösung“ für Sarajevo hat man gezeigt, daß die weltweiten Sympathien für diese Stadt (wo es, besonders in den letzten Monaten, aus verständlichen Gründen auch ethnische Konflikte gab) eher „humanitärer“ Art waren und daß alle bereit sind, so bald wie möglich alle Grausamkeiten zu verdrängen;
e) die praktische Frage bleibt aber offen – soll man auch für die anderen größeren Städte mit noch immer teilweise gemischter Bevölkerung, beispielsweise für das zwischen Moslems und Kroaten ethnisch und territorial geteilte Mostar, dieselbe Lösung anwenden?
Wir stehen am Anfang des Kriegsendes. Aber es ist ein höchst ungerechtes Ende, damit der mögliche Ausgangspunkt eines neuen Krieges. Žarko Puhovski
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