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■ Der britische Labour-Chef John Smith ist totSein Name war Programm

Über Tote soll man nicht schlecht reden. Was aber britische PolitikerInnen aller Parteien nach dem Tod des Labour-Chefs John Smith von sich geben, geht auf keine Kuhhaut. Plötzlich wird die graue Maus in den Worten des Vorsitzenden der Liberalen Demokraten, Paddy Ashdown, zu einem der „wichtigsten Parlamentarier unserer Zeit“. Premierminister John Major nennt ihn „herausragend“ und bescheinigt ihm, stets das Wohl des Landes im Sinn gehabt zu haben. Vorgängerin Margaret Thatcher beklagt den Verlust als Tragödie für Großbritannien. Und Robin Cook vom Labour-Vorstand behauptet, er wäre einer der größten britischen Premierminister aller Zeiten geworden.

Natürlich ist sein Tod bedauerlich, aber was man jetzt an ihm lobt, hat man ihm zu Lebzeiten oft genug abgesprochen – nicht ohne Grund. Sein Name war Programm: John Smith, Hans Schmidt, Hinz und Kunz. John Smith hieß auch der Darsteller des Slim Sherman in der Fernsehserie Am Fuß der blauen Berge in den sechziger Jahren. Auch der Fernseh- Schmidt blieb im Vergleich zu seinem Partner Robert Fuller stets blaß. Der Labour-Namensvetter richtete seine Politik weniger nach Prinzipien aus als nach dem Wunsch, die Labour Party für die liberale Mittelschicht wählbar zu machen. Das beinhaltete einen Rechtsruck und den Garaus des linken Parteiflügels. Smith rühmte sich, in seiner gesamten Parlamentskarriere noch niemals seinen Standpunkt geändert zu haben. Nicht selten hatte er jedoch gar keinen Standpunkt. Sein Manifest für die Wahl des Parteiführers vor zwei Jahren – Titel: „Neue Wege zum Sieg“ – enthielt als Kernaussage die These, daß in einer modernen Gesellschaft wirtschaftliche Effizienz und soziale Gerechtigkeit nicht getrennt werden könnten. So vage dieser Satz war, so wenig legte sich Smith auch in anderen Fragen fest. Immer wieder hieß es in seinem Manifest: „Dieser Punkt muß noch entwickelt werden.“ Er konzentrierte sich vor allem auf Verbalattacken gegen die Tory-Parteispitze.

Die machte es ihm freilich einfach: Smiths Stärke war die Schwäche seines Gegners. Mit John Major stand ihm ein Premierminister gegenüber, dessen Grauschattierung sich höchstens durch Nuancen unterschied. So gelang es Smith wiederholt, im Unterhaus Punkte zu machen, obwohl er keineswegs ein begnadeter Redner war. Sein Tod bringt den Torys erst mal eine dringend benötigte Atempause. Labour wird eine Weile mit sich selbst beschäftigt sein, zumal es in der Partei niemanden gibt, der sich als Nachfolger aufdrängt. Dafür hat auch Smith gesorgt, indem er Leute mit Meinungen, die zu weit links vom Mainstream angesiedelt waren, aus der Partei entfernte. Ralf Sotscheck, Dublin

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