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■ „Der arme Bischof ist hereingelegt worden“Der Oberpfaffe als Unschuldslamm

Dublin (taz) – Was haben Lady Sarah Ferguson und der irische Bischof Eamonn Casey gemeinsam? Die Boulevardpresse zahlt Spitzenpreise für Privatphotos von ihnen. Während die barbusige Herzogin dem Fotografen jedoch 70.000 Pfund einbrachte, mußte sich sein Kollege für das Foto des bärtigen Bischofs mit 20.000 Pfund begnügen. Immerhin war es das erste Bild von Casey, seit er vor einem Jahr in Mexiko untergetaucht ist. Damals war bekanntgeworden, daß der vierthöchste Mann der irischen Hierarchie eine Affaire mit der US-Amerikanerin Annie Murphy hatte und Vater ihres 17jährigen Sohnes ist.

Dem irischen Sunday Independent ist am Wochenende ein Coup geglückt, der sich inzwischen als Eigentor entpuppt hat: Die Zeitung hatte den englischen Journalisten Gordon Thomas samt Fotografen nach Mexiko geschickt, wo ihnen Casey angeblich bereitwillig ein Interview gab. Darin soll er seine ehemalige Geliebte als „böse Frau“ bezeichnet haben. Zu Thomas' Entsetzen meldete sich der Bischof jedoch am nächsten Tag telefonisch beim irischen Fernsehen und erklärte, kein Wort mit Thomas gewechselt zu haben. Kleinlaut mußte der windige Reporter eingestehen, daß das „Interview“ aus einem heimlich aufgezeichneten Telefongespräch zwischen Casey und einer irischen Bekannten des Bischofs bestand, die Thomas als Lockvogel nach Mexiko geschleppt hatte. Als der Reporter anstelle der Bekannten dann zur Verabredung auftauchte, suchte Casey fluchtartig das Weite.

Nun ist Thomas keineswegs ein Unbekannter, sondern ein Spezialist für dubiose Geschichten. Der Autor, der aus Steuergründen in Irland lebt, hat bisher mehr als 30 Bücher geschrieben. Bei den meisten geht es um Priester und Nonnen oder Terroristen und Geheimdienste — oder um alle zusammen. So behauptete Thomas, daß der CIA und der ehemalige sowjetische Präsident Andropow gemeinsam Papst Johannes Paul I. töten wollten. Sein Bestseller „Desire and Denial“ handelt von Sex zwischen Priestern und Nonnen im Kloster. Manchmal geht Thomas freilich auch zuweit. So tischte er der offenbar gutgläubigen Radioreporterin Kathy Coulombe im Juni 1988 die Geschichte auf, daß die IRA beim Weltwirtschaftsgipfel in Toronto ein Attentat auf Margaret Thatcher plane. Als verschiedene Zeitungen deshalb bei der Polizei nachfragten, entwickelte das Märchen eine Eigendynamik: Die irische Emigrantengemeinde mußte Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen, ein junger Ire mit ungültigem Visum wurde deportiert. Sein Foto ging durch die Weltpresse – als Bild eines „gefürchteten IRA-Terroristen“. Nachdem Thomas' Fake schließlich geplatzt war, wurde Coulombe wegen ihrer Naivität gefeuert. Der katholische Klerus hat offenbar von Thomas gelernt. Als Annie Murphy vor kurzem in einer Talk-Show des irischen Fernsehens auftrat, um den Verkauf ihres Buches über ihre Beziehung zum Bischof anzukurbeln, sorgte die Kirche dafür, daß Caseys Freunde und ehemalige Angestellte in der ersten Reihe saßen. Mit Hilfe des schleimigen Talk- Masters Gay Byrne („Seht nur, wie kokett sie ist! Welche Frau ist denn nicht hinter einem Mann her?“) zeichnete diese verlogene Allianz ein Bild vom Bischof als Unschuldslamm, das dem Vamp in die Klauen gefallen sei. Caseys frühere Haushälterin behauptete gar, nach der Entbindung an Murphys Bett „einen gutaussehenden jungen Mann“ gesehen zu haben, dem „der Sohn wie aus dem Gesicht geschnitten“ war. Die Tatsache, daß Casey die Vaterschaft anerkannt hatte, konnte sie nicht beeindrucken. „Der arme Bischof ist hereingelegt worden.“ Ralf Sotscheck

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