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Der Zweifler am Zufall

■ Das kleine, rührige B-Movie widmet im Februar eine kleine, schöne Filmreihe dem polnischen Regisseur Kieslowski

Als der polnische Filmemacher Krzysztof Kieslowski im Sommer vor zwei Jahren verkündete, keinen Film mehr machen und sich ganz ins Privatleben zurückziehen zu wollen, schlug die Nachricht wie eine Medien-Bombe ein. Der Mann schien auf der Höhe seiner Schaffenskraft und wurde für seine Trilogie Blau, Weiß, Rot eben mit Preisen überhäuft. Doch für ihn war die Sache klar: er hasse, so meinte er, die Leute, die nicht wissen, wann es Zeit ist, zu gehen. Nach einer letzten Ehrenrunde durch die europäischen Feuilletons ging der Meister wirklich, zog sich in sein Landhaus zurück und ist bisher nicht wieder aufgetaucht.

„Ich wollte die Welt beschreiben, und zugleich, was ich für sie empfand“, meinte Kieslowski mal, und fast dreißig Jahre lang tat er nichts anderes. Zuerst, ab 1966, in kurzen Dokumentarfilmen über das Leben von Arbeitern, den Alltag in einer Röntgenstation, die erste Liebe oder einen Bahnhof. Ab 1973 machte er Spielfilme, kurze zuerst, Fingerübungen für den gelernten Dokumentarfilmer, der keine Ahnung vom Umgang mit Schauspielern hatte. Auftraggeber war das polnische Fernsehen, das seine Arbeit bis in die 80er Jahre hinein unterstützte. Als er 1976 Die Narbe, seinen ersten abendfüllenden Kinofilm drehte, gehörte er schon zum Freundeskreis polnischer Filmer wie Agnieszka Holland, Zanussi oder Andrzej Wajda, die sich gegenseitig ihre Drehbücher korrekturlasen und dem Filmschaffen ihres Landes eine unverwechselbare Prägung gaben. Zum Film war der verschüchterte Außenseiter in seiner Jugend eher zufällig gekommen: in der Blütezeit polnischen Theaters war die Bühne seine Ambition, und die Filmhochschule nur ein Weg, einen Hochschulabschluß zu erlangen.

„Ich bin nie von der Kamera fasziniert gewesen, ich habe Filme gemacht, weil das mein Beruf war und ich zu faul oder zu dumm war, im richtigen Augenblick den Beruf zu wechseln“, meinte Kieslowski ein Jahr vor seinem Berufsausstieg. „Anfangs schien es mir ein guter Beruf zu sein. Erst jetzt weiß ich, wie schwer es ist.“

In Der Filmamateur von 1979, der die kleine Kieslowski-Reihe im B-Movie einleitet, geht es um die Faszination mit dem Medium Film, die der leidenschaftliche Filmemacher Kieslowski nie empfunden hat, und um die Probleme, die der Amateur bekommt, weil seine wohlgemeinten Bilder mißbraucht werden könnten.

Kieslowskis Leidenschaft galt dem Medium Film vor allem, weil es ihm bei seiner Arbeit an den metaphysischen Themen half, die ihn interessierten. Ihn reizte am Film die Möglichkeit des Verstehens, des nicht erklärenden, nicht expliziten Nachfragens, und nicht vorrangig das Medium der Kommunikation.

Auch die vom B-Movie getroffene Filmauswahl zeigt dies sehr deutlich. Begleitet von jeweils einem seiner frühen Kurz-Dokumentarfilme werden vier seiner Hauptwerke gezeigt: Von Der Filmamateur (1979) und Der Zufall möglicherweise (1981) über Ein kurzer Film über die Liebe (1988) bis zu Die zwei Leben der Veronika (1991) alles Filme über die Unmöglichkeit oder die Möglichkeit der Liebe, über die Realität von Zufall oder Schicksal, über Vorbestimmung und Unausweichlichkeit. Filme, allesamt, zu den großen Fragen Kieslowskis, der von sich selbst sagte, daß er kein Künstler sei, denn ein Künstler wisse, und er tue nichts, als seine Zweifel mit dem Publikum zu teilen. Bleibt die Frage, ob er nun auf den Film verzichten kann, weil er weniger Zweifel hat, oder ob er sie nur für sich behält.

Thomas Plaichinger

Der Filmamateur: Sa, 3. und So, 4. Februar, 20.30 Uhr, B-Movie

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