: Der Zauderer ringt sich durch
Peter Kurth mochte lange nicht um CDU-Chefposten kämpfen. Jetzt will er gegen Joachim Zeller antreten und Landeschef werden. Von einem Machtkampf mit Frank Steffel mag er nichts wissen
von STEFAN ALBERTI
Fraktionsvorsitz? Wieso denn? Allein um die Parteiführung gehe es am 24. Mai beim CDU-Landesparteitag im Hotel Maritim. Unisono versuchten gestern der neue Bewerber Peter Kurth und die Pressestelle von Fraktionschef Frank Steffel, diese Botschaft zu vermitteln. Mit wenig Erfolg. Denn nicht nur der vom Landesvorstand nominierte Joachim Zeller, gegen den Kurth in knapp zwei Wochen antreten will, spricht von einem Stellvertreterkrieg. „Es geht nicht um den Landesvorsitz, es geht vielen in der Partei allein um die Frage: Steffel ja oder Steffel nein“, sagt auch Fraktionsvize Kai Wegner.
Als Landesvorsitzender werden Exfinanzsenator Kurth, 43, deutlich bessere Chancen eingeräumt, das zu erreichen, was als sein eigentliches Ziel gilt: Steffel, 37, als Fraktionschef abzulösen. Die Unionsabgeordneten würden sich mehrheitlich nicht gegen den Mann stellen, der die Partei hinter sich hat, so die Kalkulation. Der brandenburgische CDU-Chef und frühere Innensenator Jörg Schönbohm sprach sich bereits dafür aus, dass ein Landeschef Kurth auch die Fraktion führen sollte: Dann werde die Union wieder schlagkräftig.
In beiden Lagern kursieren Hochrechnungen für den Parteitag, werden Namen gezählt. Rund 360 Delegierte entscheiden am 24. Mai, wer die über 14.000 Berliner CDU-Mitglieder führen soll. Gut die Hälfte davon wollen Kurth-Freunde schon für sich auf dem Zettel haben. Weitere Delegierte könnten sich angeblich einbinden lassen, wenn Kurth eine Kröte schluckt und wie schon Zeller den rechten Hardliner Wegner als Generalsekretär vorschlägt.
Kurths politische Freunde vom liberalen CDU-Flügel haben ihren führenden Kopf zuvor lange bitten müssen. Zu lange, befürchteten manche. Wer nie antritt und Dauerkandidat bleibt, der verschleißt sich auch ohne Kampfabstimmung, war auch in seinem Lager zu hören. Noch am Wochenende mochte sich Kurth, von einem Fraktionskollegen vorgeschlagen, nicht zu einer klaren Aussage durchringen. So erwarb sich Kurth immer mehr den Ruf eines Zauderers, der die Entscheidung vermeidet. Als klassisches Vorbild dient in solchen Fällen der römische Feldherr Fabius Maximus. Dem wurde der Zusatz „Cunctator“, Zauderer, gleich an den Namen geheftet, weil er im zweiten punischen Krieg Hannibal nicht offen angreifen mochte.
Der Berliner Cunctator wurde binnen weniger als zwei Jahren drei Mal gedrängt, als Chef von Landesverband oder Fraktion zu kandidieren. Schon als die Union im Juni 2001, nach dem Bruch der großen Koalition, einen Spitzenkandidaten suchte, sollten es Steffel oder Kurth machen.
Als es fünf Monate später nach der Abgeordnetenhauswahl um den Fraktionsvorsitz ging, galt Kurth wieder als Kandidat. Doch statt anzutreten, nahm er ein Angebot aus der Privatwirtschaft an, ging in den Vorstand des Entsorgungsunternehmens Alba. Steffel wurde daraufhin ohne Gegenkandidaten wiedergewählt. Und noch ein drittes Mal sollte Kurth ran, im Frühjahr 2002 als Nachfolger von Landeschef Eberhard Diepgen. Wieder sagte er ab: Er traue sich das Amt zwar durchaus zu, stehe aber wegen seiner beruflichen Situation nicht zur Verfügung.
Auch als im vergangenen Sommer und Herbst die Kritik an Steffel besonders hochkochte, mochte Kurth offiziell nichts von Ambitionen wissen. Parteifreunde kolportierten allein seine Aussage, bei der nächsten Fraktionschefswahl werde es einen Gegenkandidaten geben. Nach dem vergangenen Wochenende aber sei der Druck zum Antreten zu groß geworden, um sich weiter bedeckt zu halten, heißt es.
„Wer gewinnt in der Geschichte mit dem Cunctator?“, fragte Kurth gestern zurück, als ihn die taz auf die römische Episode ansprach – und gab zumindest vor, das nicht zu wissen. Gut für den Zauderer geht sie aus: Hannibal, von der Nadelstichtaktik seines Gegners erschöpft und vom Nachschub abgeschnitten, musste Italien verlassen, verlor später den ganzen Krieg. Aus dem Cunctator aber wurde ein Staatsheld mit neuem Titel: „Schild Roms“.