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Archiv-Artikel

Der Wochenendkrimi Willkommen im Prekariat

„Lutter: Um jeden Preis“, Sa., 20.15 Uhr, ZDF

Er ist ein guter Erzähler, man hört ihm gern zu. Denn Lutter (Joachim Król) beherrscht diesen rustikalen Ruhrgebietssingsang, ohne dabei anbiedernd prollig rüberzukommen. Warum er Polizist geworden sei? Als Junge habe er seinen Vater immer nach der Schicht aus der Zeche abgeholt und dessen Kumpel habe dem Alten Schläge angedroht, falls der Sohn irgendwann auch mal beim Bergbau landen sollte.

Nun sind die Zeiten der harten Schichtarbeit in Essens Zechen ja sowieso vorbei. Dass die Arbeitsbedingungen in den neuen Wirtschaftszweigen der Region wirklich besser geworden seien, lässt sich allerdings nicht sagen. Drogeriefilialleiterin Monika Lorenz (großartig: Susanne Uhlen), an die Lutters biografische Anekdote gerichtet war, muss jedenfalls tagtäglich allerlei Demütigungen über sich ergehen lassen. Schon mehrmals hat der Arbeitgeber ihr suggeriert, dass sie als Endvierzigerin eigentlich viel zu alt sei für den Job; und nach Ladenschluss schaut gern mal die Bezirksleiterin vorbei, durchwühlt Handtaschen und überprüft die Herkunft jedes einzelnen Tampons. Dabei inszeniert sich der Drogeriediscounter Ridro doch gern als große Familie, zumindest wenn es um die Öffentlichkeitsarbeit geht.

Nun ist es in dieser Familie zu einem Mord gekommen. Ein Nachwuchsmanager, der nach Willen des Firmenpatriarchen noch mal ordentlich an der Verjüngungs- und Kostenschraube drehen sollte, wurde auf dem Parkdeck über den Haufen gefahren und dann in einer verwaisten Grube entsorgt. Lutter wirbelt bei seinen Untersuchungen ordentlich Staub auf, was dem Ridro-Gründer gar nicht gefällt. Im Rathaus droht der Bonze mit der Schließung mehrere Filialen. Und der Verlust von Arbeitsplätzen ist für jeden Bürgermeister ein Graus – ganz gleichgültig, wie diese Arbeitsplätze denn nun eigentlich aussehen.

Die Managertypologie in „Um jeden Preis“ ist recht holzschnittartig geraten, der Krimiplot läuft ein bisschen im Kreis. Aber wie auch in dieser zweiten „Lutter“-Episode (Buch: Kathrin Bühlig, Regie Jörg Grünler) kritisch und beherzt an Essens Selbstbild einer aufsteigenden Dienstleistungsmetropole gekratzt wird, das überzeugt dann doch. Willkommen im Prekariat: Der Drogeriediscounter wird hier als arbeitsrechtsfreie Zone dargestellt, deren Ausweitung die Kommunalpolitik gern hinnimmt, wenn sie nicht gar selbst drauf hinarbeitet.

Ein schlichter Arbeitsweltkrimi mit völlig unverhohlenen sozialpolitischen Aufwallungen. Um für die Entrechteten des Arbeitsmarkts einzutreten, riskiert Proletarierspross Lutter am Ende sogar glaubhaft seinen sicheren Beamtenjob. CHRISTIAN BUSS