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Archiv-Artikel

„Der Westen ist ein Nepplokal“

betr.: „Einer Krawallschachtel würdig“

Als ihm im November 1976 die DDR-Behörden die DDR-Staatsbürgerschaft absprachen, kam Biermann nach eigenem Bekunden „vom Regen in die Jauche“ (und nicht nur in die „Traufe“). In seiner nach dem Zwangsexil entstandenen Ballade „Deutsches Miserere (Das Bloch-Lied)“ beschreibt er weiter die gesellschaftlichen Verhältnisse in seinem Asylland mit bemerkenswerter Treffsicherheit:

„Und wer im Westen das Geld hat, der hat damit auch die Macht“ und weiter „der Westen ist ein Nepplokal, ein kalt gekachelter Puff … Sie lassen dich kalt verrecken, und sagen: So ist die Welt.“ Im Jahr 1963 sah er „Soldaten … alle gleich, lebendig und als Leich“, um sie noch 1988 als „Mörder mit staatlichem Diplom“ zu bezeichnen.

Ob die poetische Qualität dieser Reime von weltliterarischem Rang ist, sei dahingestellt. Aber warum soll ein Barde mit Versen derartiger Langzeitwirkung nicht Ehrenbürger von Berlin oder von sonst wo werden? Georges Brassens freilich, einer seiner großen Vorbilder, würde sich im Grabe umdrehen angesichts der Biermann’schen Sammelleidenschaft für staatstragende Ehrungen, denn „La Légion d’honneur, ça ne pardonne pas“!?

REINHARDT GUTSCHE, Berlin