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■ Der Wahlprozeß in Bosnien droht zu scheiternWahlboykott in Mostar

Der Boykott der Wahlen durch die muslimische Seite ist in Mostar nicht vom Himmel gefallen. Die politische Führung der Muslime droht seit langem mit dieser Konsequenz. Sie will nicht hinnehmen, daß die 1992 und 1993 aus der Stadt Vertriebenen vom Wahlprozeß ausgeschlossen werden. Und gerade dies ist mit Hilfe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die für die Ausrichtung der Wahlen verantwortlich ist, geschehen.

Im Abkommen von Dayton ist zwar verbürgt, daß alle Vertriebenen an ihren Heimatorten wählen dürfen. Mit Ausnahmebestimmungen ist diese Richtschnur jedoch aufgeweicht worden. Nach den Vorstellungen der OSZE soll es möglich sein, daß Menschen an ihrem jetzigen Wohnort die politischen Verhältnisse mitbestimmen können. Dies macht auch vordergründig Sinn, wenn man bedenkt, daß fast zwei Drittel der Bevölkerung Bosniens durch den Krieg entwurzelt wurden und jetzt an anderen Orten als den ursprünglichen leben müssen. Doch am Beispiel Mostars zeigt sich, daß mit dem jetzt erstellten Wahlsystem letztlich jene triumphieren, die andere vertrieben haben. Den Neubürgern der Stadt wird die Registrierung zur Wahl leicht gemacht – die Vertriebenen müssen von den Autoritäten vor Ort erst als Bürger anerkannt werden. Das heißt, die kroatischen Extremisten in West-Mostar bestimmen, wer in „ihrem“ Stadtteil wählen darf.

Daß diese Praxis die ethnischen Säuberungen legitimiert, ist das wichtigste Argument für den Boykott. Dürften die 30.000 vertriebenen Muslime und Serben im kroatisch beherrschten Westteil der Stadt mitstimmen, dann würde die kroatische Nationalpartei HDZ wohl nicht so eindeutig siegen, wie es nach dem jetzigen System der Fall wäre. Selbst wenn die Führung der Muslime eine machtpolitische Überlegung mitverfolgen sollte: das entwertet das Argument nicht. Denn die Wahlen dürfen nicht dazu führen, die durch den Krieg erzwungene ethnische Trennung zu verfestigen. Geschieht dies in Mostar, dann wiederholt sich dies in den anderen Teilen Bosnien-Herzegowinas.

Rätselhaft bleibt auch, wie die Flüchtlinge angesichts solcher Konstellation zurückkehren sollen. Um so mehr erstaunt es, wenn die ethnische Trennung qua Wahlsystem von internationaler Seite befördert wird. Verletzt werden damit nicht nur die Interessen der Aufnahmeländer. Der gesamte Friedensprozeß wird in Frage gestellt. So zwingt der Wahlboykott zur Revision einer eingeleiteten falschen Politik. Erich Rathfelder

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