: Der Umwelttechnik-Krimi namens ESTA
■ Kali u. Salz wollte moderne Umwelttechniken nur gegen Marktanteile an die DDR geben
In den siebziger Jahren entwikkelte die westdeutsche Kali u. Salz AG ein neues Verfahren, um das für die Düngemittelproduktion abgebaute Kaliumsalz von nicht nutzbaren Salzen, in erster Linie Kochsalz, zu trennen. Das sogenannte ESTA-Freifallscheide- Verfahren.
In einem 40 bis 50 Meter hohen Turm werden an den Wänden mit elektrischer Spannung elektromagnetische Felder aufgebaut. Das abgebaute Salz wird feingemahlen oben in den Turm gekippt. Je nach Ionen-Anziehung und Abstoßung sortiert kommen die verschiedenen Salze auf dem Boden des Turmes an.
Der Vorteil: Es fällt keine Salzlösung mehr an, die dann die Flüsse versaut.
Bonn versuchte dieses Verfahren jahrelang der DDR-Regierung anzudienen. Doch aus dem Deal wurde nichts. Kali u. Salz stellte sich zunächst bockig. In der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hieß es 1983: Der Patentgeber, (Kali u. Salz d.R.) werde eine Lizenz nur in die DDR vergeben, „wenn er keine wirtschaftlichen Nachteile zu erwarten hätte“. Konkret schwebte Kali u.Salz vor, daß die DDR für diese Lizenz auf Marktanteile im Westen verzichten sollte. „Wenn mit dem Verfahren vermehrt Kaliumsulfat produziert worden wäre, hätte das nicht auf den westlichen Markt gehen dürfen, um den Markt von Kali u. Salz nicht zu beeinflussen“, erinnert sich Heinrich Taubert an das Junktim. Taubert, als Chef des Ost-Kali-Kombinats an den streng geheimen Verhandlungen beteiligt, lehnte damals ab. 20 bis 25 Millionen Westmark „Eintrittsgebühren“ zum Ausprobieren der Westtechnik und dann das gewonnene Produkt allein auf den Ostmarkt verkaufen dürfen, das wollte die DDR nicht.
Auch nach der jetzt beschlossenen Fusion von Kali u. Salz mit der Mitteldeutschen Kali (MDK) wird das ESTA-Verfahren in Thüringen allerdings keine Anwendung finden: „Weil die Investition zu teuer und die Realisierungszeit zu lang geworden wäre“, begründet MDK-Vorstand Heinz Mühlberg den Verzicht. Man wolle in dem einzig übrigbleibenden thüringischen Bergwerk Unterbreizbach für 22 Millionen Mark das Flotationsverfahren neu installieren, bei dem auch kaum Abwasser anfällt. Das abgetrennte Kochsalz könne nach der Flotation in Unterbreizbach wegen der günstigen Geologie künftig sogar direkt unter Tage verbracht werden. Das sei doch umweltfreundlich.
Ökonomisch sinnvoll wurde diese Entscheidung vor allem, weil die MDK zuvor auf die lukrative Produktion des Kaliumsulfat in den thüringischen Minen verzichtet hatte – insbesondere dort hätte das ESTA-Verfahren nämlich auch ökologisch Sinn gemacht.
Der Frankfurter Kaliexperte Engelbert Schramm vom Institut für sozial-ökologische Forschung, Alfred Heinz im Thüringischen Umweltministerium und auch Kalifachleute beim hessisch-thüringischen TÜV waren sich auf Befragung der taz einig: Prinzipiell ist das Salz in Bischofferode mit der Freifallabscheiderverfahren besser und umweltverträglicher abzubauen als in den von Kali u. Salz künftig betriebenen Bergwerken Unterbreizbach und Zielitz. Ein auf Bischofferode hin optimiertes ESTA-Verfahren würde die Grube dort zum ökologischen Musterknaben der Kali-Industrie machen. „Das Ideale wäre, die Kali u. Salz ESTA-Technologie mit dem Bergwerk Bischofferode zu verbinden“, so Schramm. MDK-Manager Mühlberg winkt ab. „Die Variante ist nicht untersucht worden“, aber nach allem was er wisse, sei das „ein verfahrenstechnisch keinesfalls akzeptabler Zug“. Die Bergleute in Bischofferode weisen an dieser Stelle darauf hin, daß sie 80 Prozent ihrer Produktion ins westliche Ausland verkaufen konnten: An die ungeliebten Konkurrenten von Kali u. Salz.
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