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Archiv-Artikel

Der US-Rechtsstaat funktioniert – diesmal KOMMENTAR VON BERND PICKERT

Zacarias Moussaoui, der Einzige, der in den Vereinigten Staaten wegen der Anschläge vom 11. September 2001 angeklagt war, hat einen fairen Prozess bekommen. Mit überzeugender Zweifelsfreudigkeit haben die Juroren be- und entlastende Faktoren gegeneinander abgewogen, haben den schillernden Charakter Moussaouis einschließlich seiner Kindheit und Jugend in Frankreich in Betracht gezogen und ihn schließlich – nicht zum Tod verurteilt.

Mit dem Urteil ist ausgerechnet dieses Verfahren, dessen Vorbereitung alle Anlagen zu einem Schauprozess hatte, zur Demonstration einer funktionierenden Justiz geworden. Im Fall Moussaoui haben die USA Rechtsstaatlichkeit und damit wahre Größe unter Beweis gestellt. Sie haben plötzlich jene souveräne Unaufgeregtheit an den Tag gelegt, die ihnen seit 9/11 abhanden gekommen zu sein schien. Nur: Der Fall Moussaoui bildet damit in der Verfolgung des Terrors in den USA die Ausnahme.

Die Mehrzahl der in Guantánamo Festgehaltenen hat seit inzwischen über vier Jahren weder Anklage noch Verfahren bekommen und damit keine Chance, sich zu verteidigen. Denjenigen, deren Namen niemand weiß und die in geheimen Lagern irgendwo auf der Welt wegen Terrorverdachts festgehalten werden, geht es noch schlimmer. Im Übrigen wird auch mancher unter hanebüchenen Umständen zur Todesstrafe verurteilte Insasse einer der US-amerikanischen Todestrakte Moussaoui um seine Jury beneiden.

Es wird der Zukunft überlassen bleiben, darüber zu urteilen, welchen Geisteszustandes Moussaoui nun eigentlich ist. Seine leicht als substanzlos zu erkennenden Selbstbezichtigungen und -überhöhungen werden noch lange Zweifel darüber offen lassen, ob er tatsächlich einen Märtyrertod suchte oder eine geniale Prozessstrategie verfolgte, um am Leben zu bleiben.

Der Prozess könnte der US-Gesellschaft zeigen, dass die Strafverfolgung von Terror auch zivilisiert rechtsstaatlich funktioniert, dass es weder Folter noch Rechtseinschränkungen bedarf – das wäre ein Schritt voran. Nur: Es ist zu befürchten, dass das Nicht-Todesurteil in der öffentlichen Bewertung exakt das Gegenteil bewirkt.

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