Der Teufel steckt im Detail: UN-Prozess gerettet, Klima nicht
Überraschung in Cancún: Mit einem deutlich besseren Ergebnis als gedacht endet die UN-Klimakonferenz in Mexiko. Die Stimmung war gut, aber der Teufel steckt im Detail.
CANCÚN taz | Ein großer Sprung für die Konferenz, ein kleiner Schritt für die Menschheit: Mit einem überraschend positiven Ausblick für ein neues internationales Abkommen zum Klimaschutz ist die 16.UN-Klimakonferenz im mexikanischen Cancún zu Ende gegangen. Am frühen Samstagmorgen (Ortszeit) stimmten die Vertreter von 193 Staaten nach einer langen Nachtsitzung für zwei Dokumente, die den globalen Klimaschutz wieder langsam in Bewegung setzen sollen. Gegen den Widerspruch von Bolivien nahmen die Staaten die Vereinbarung zwischen den verschiedenen Staatengruppen an, der allerdings von einem effektiven Klimaschutz weit entfernt ist.
Zum ersten Mal überhaupt beschloss die Klimakonferenz, den Anstieg der globalen Temperatur auf 2 Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau zu begrenzen. Darüber hinaus fanden die Delegierten Kompromisse oder umschifften die strittigsten Fragen. So beschloss die Versammlung, einen „Grünen Klimafonds“ einzurichten, der von den Industrieländern gefüllt werden soll und für Klimaschutzmaßnahmen in den armen Ländern dient. Außerdem wurden Gremien eingerichtet, die den Schutz der Regenwälder, die Anpassung an den Klimawandel und den besseren Zugang der Entwicklungsländer zu Öko-Technologie organisieren sollen.
Einen zweischneidigen Erfolg gab es dagegen bei der zentralen Frage: Wie sehr und bis wann die Staaten ihre Treibhausgasemissionen reduzieren sollen. Die Industriestaaten des Kioto-Protokolls verpflichteten sich zwar, bis 2020 ihren CO2-Ausstoß um 25 bis 40 Prozent zu drosseln. Doch die großen Verschmutzer USA und China unterliegen nicht diesen Regeln und wurden nur dazu aufgefordert, ihre Anstrengungen zu erhöhen. Diese Zugeständnisse haben die gleiche Schwäche wie schon der „Kopenhagen Accord“, das Ergebnis des gescheiterten Klimagipfels von 2009: Die beschlossenen Maßnahmen verfehlen bei weitem das 2-Grad-Ziel und führen nach wissenschaftlichen Studien zu einem Anstieg von 3 bis 4 Grad.
Deutlich wurde bei dem nächtlichen Abstimmungsmarathon im Luxusresort „Moon-Palace“, wie sehr sich die Delegierten nach Fortschritten im Prozess sehnten, der seit einem Jahr festgefahren war. Die mexikanische Außenministerin Patricia Espinosa wurde als Tagungspräsidentin vor der Abstimmung minutenlang mit stehenden Ovationen bedacht. Ihre umsichtige Verhandlungsführung wurde von allen Seiten wiederholt gelobt. Anders als die dänische Präsidentschaft in Kopenhagen hatte Espinosa Konkurrenten zusammengeführt, Kompromisse gefunden und vor allem den empfindlichen südamerikanischen Staaten kaum Gelegenheit gegeben, sich aufzuregen. Bolivien, das die Verträge aus grundsätzlicher Haltung und mit Detailkritik rundheraus ablehnte, widersprach zwar dem allgemeinen Konsens, wurde aber einfach überstimmt – obwohl in der Versammlung eigentlich das Konsensprinzip herrscht. In der allgemeinen Begeisterung wurde das nicht weiter angesprochen.
„Wirklich glücklich“ zeigte sich Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Das gesamte „ausgewogene Paket“, mit dem die Europäer angetreten waren, sei angenommen worden, das gebe dem Klimaschutz unter dem Dach der UN neuen Schwung. „Das ist nicht der Sprung, den wir für das 2-Grad-Ziel brauchen, aber es sind Schritte dahin“. Zufrieden zeigte sich Röttgen auch darüber, dass es Bolivien nicht gelungen sei, den Konsens zu verhindern. „Die Konferenz hat demonstriert, das Obstruktion nicht akzeptiert wird“, so ein sichtlich erleichterter Röttgen.
Auch Martin Kaiser, Klimaexperte von Greenpeace, sieht in dem Ergebnis einen „Hoffnungsschimmer für den Klimaschutzprozess“. Er wies aber auf die Stolpersteine der Vereinbarung hin: „Die Staaten müssen diese CO2-Minderungsziele jetzt erst einmal zuhause umsetzen.“ Außerdem sei nicht geklärt worden, aus welchen Quellen das Geld für den „Grünen Klimafonds“ fließen solle. „Viele Knackpunkte sind bis nächstes Jahr auf der Konferenz in Durban vertagt worden.“
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