american pie : Der Superstar ist ein anderer
Vor allem wegen der Wurfschwäche von Dirk Nowitzki verliert Dallas die ersten beiden Spiele gegen Houston und steht nun vor dem Play-off-Aus
Es war die beste NBA-Saison, die Dirk Nowitzki bisher für die Dallas Mavericks absolvierte: Sein Team hatte er als herausragender Spieler souverän in die Play-offs geführt, den viertbesten Punkteschnitt der Liga erzielt, als heißer Kandidat für den Titel des „Most Valuable Player“ der NBA wird er gehandelt. Doch nun droht alles in Trümmer zu fallen und Nowitzki selbst zur tragischen Figur zu werden. Am Montag verloren die Mavericks mit 111:113 auch das zweite Heimspiel der Erstrundenserie gegen die Houston Rockets, und erneut war es eine schwache Leistung des Deutschen, die den Schlüssel zur Niederlage bildete. Beim 86:98 in der ersten Partie hatte Nowitzki nur 4 von 21 Würfen getroffen, am Montag sah es Mitte des letzten Viertels mit 4 von 17 ähnlich aus. Erst dann kam er in Schwung und hielt Dallas mit vier Treffern im Spiel. Am Ende war er mit 26 Punkten zwar Topscorer der „Mavs“ und kurz vor Schluss auch derjenige, der zum 111:111 ausglich, doch es reichte nicht.
Was folgte, war der letzte große Auftritt von Houstons Tracy McGrady, bislang der überragende Spieler der Serie. Die Rockets überraschten Dallas mit einem Spielzug, in den selbst auf ihrer Seite nur McGrady und Yao Ming eingeweiht waren. Ohne ein Time-out zu verlangen, dribbelte McGrady in die gegnerische Hälfte, verschaffte sich mit Hilfe eines Blocks von Yao einen freien Wurf und traf 2,2 Sekunden vor Ende fast von der Dreierlinie nahezu selbstverständlich zum Sieg. „Sie waren überrascht, dass es kein Time-out gab“, freute sich McGrady diebisch über die Verwirrung der Mavericks. „Sie stolperten ein bisschen übers Feld.“
Die nächsten beiden Spiele der Best-of-seven-Serie finden in Houston statt, und Mavs-Coach Avery Johnson steht vor der schwierigen Aufgabe, sein Team für das morgige Aufeinandertreffen psychisch wieder aufzurichten. „Es ist ein absoluter Muss-Sieg“, hatte Nowitzki vor dem Match am Montag gesagt, „auf keinen Fall dürfen wir mit einem 0:2 nach Houston fahren“. Genau das aber ist eingetreten, obwohl sich das Mavs-Team, das um jeden Ball kämpfte, ebenso sehr anstrengte wie das Publikum in Dallas, das so laut war, dass die Schiris teilweise nicht hören konnten, wenn die Trainer Auszeiten verlangten. Das große ungelöste Rätsel für Dallas heißt Tracy McGrady.
„Wir haben alles versucht“, sagte Avery Johnson schon nach dem ersten Spiel, „zwei Leute gegen ihn gestellt, drei, einen, keinen, nichts hat funktioniert.“ Im zweiten Match hielten sie McGrady zwar besser in Schach – statt 34 Punkten holte er nur 28 –, dafür setzte er seine Mitspieler in Szene, vor allem Yao Ming. Der 2,28 Meter große Chinese, der in Spiel eins nur auf 11 Punkte gekommen war, steuerte diesmal 33 bei, und sein Pick-and-Roll mit McGrady, der am Ende seinen Punkten noch zehn Rebounds und acht Assists hinzugefügt hatte, konnten die Mavericks nie stoppen. Nach anfänglichen Problemen haben sich „T-Mac“ und Yao hervorragend eingespielt und bilden an guten Tagen ein übermächtiges Duo, wie es Shaquille O’Neal und Kobe Bryant mal bei den Lakers waren, und jetzt Shaq und Dwyane Wade bei Miami oder Steve Nash und Amare Stoudemire bei Phoenix sind.
„McGrady spielt Superstar-Basketball momentan“, sagt Avery Johnson, von Dirk Nowitzki lässt sich das nicht sagen. Während der Saison hatte er einen packenden Shoot-out der beiden noch gewonnen, als er bei einem Dallas-Sieg 53 Punkte warf und McGrady 47, doch in dieser Serie war er ihm bislang weder offensiv noch defensiv gewachsen. Als einer der zehn besten Rebounder der Liga konnte Nowitzki am Montag nur zwei Abpraller erhaschen und hatte in der Abwehr ständig das Nachsehen, während McGrady mit dazu beitrug, Nowitzki vom Korb fern zu halten und zu Distanzwürfen zu zwingen, die meist den Korb verfehlten. 12 von 42 lautet seine bisherige Wurfbilanz in der Serie, „zu nervös“, sagte er, sei er zu Beginn gewesen. Höchste Zeit, diese Anspannung abzulegen. „Energie, Anstrengung, Begeisterung“, hatte jemand in der Kabine der Mavericks an die Tafel geschrieben. Nie waren diese Faktoren wichtiger als in den nächsten Spielen morgen und am Samstag in Houston. MATTI LIESKE