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Archiv-Artikel

Der Superschwer-Triumph

Was folgt daraus? Sechs Rückschlüsse auf die Bedeutung der jüngsten Erfolge von Susanne Fröhlich und Henry Maske im Zusammenhang mit Quote, Gottschalk, Raab, Merkel und der Mittelschicht

VON PETER UNFRIED

1. Es war damals eine so fette Niederlage, dass man sie nicht auf sich sitzen lassen konnte. Das Verlierergefühl muss furchtbar gewesen sein. So bitter, dass der Revanchekampf gesucht werden musste. Um vor Millionen gewisse Dinge geradezurücken.

Und so ließ sich die Superschwergewichtlerin Susanne Fröhlich (Kampfname: „Moppel-Ich“) am Samstagabend live bei „Wetten, dass …?“ im ZDF ein zweites Mal zusammen mit Thomas Gottschalk (94 kg) und der als Schauspielerin beschäftigten Christine Neubauer (65 kg) wiegen. Nur einen Monat nach ihrem furchtbaren Knock-out. Es endete in einem Triumph: Statt wie im ersten Duell 267 zeigte die Waage nur noch 257 Kilogramm. Wenn alle Zahlen stimmen und an der Waage nicht manipuliert wurde, wiegt die Diätbestsellerautorin also nicht mehr 108 kg, sondern nur noch 98 kg.

Hut ab für eine Leistung, die der Exchampionesse aller Gewichtsklassen in dieser Form sicher nur noch die wenigsten zugetraut hatten. Viele dachten doch, sie sei alt, träge und vor allem zu hungrig geworden, um im gnadenlosesten Kampf, den es gibt, noch einmal bestehen zu können – im Killerduell Frau gegen Waage. Aber Fröhlich fraß den Kummer nicht in sich hinein. Sie arbeitete eisern, stellte sicher auch ihre Ernährung um bzw. ein – und hat letztlich all ihre Zweifler beschämt.

Diese Leistung ist vermutlich nur noch zu vergleichen mit jener von Joe Louis, der 1936 so bitter gegen den für Nazi-Deutschland angetretenen Boxer Max Schmeling unterlegen war – um ihn 1938 im Revanchekampf in der 1. Runde umzuhauen.

2. Was aber bedeutet Fröhlichs Sieg für die Gesellschaft und grade für die Mittelschicht in diesem Land, die nach neuesten Erkenntnissen nun doch nicht abstürzt – außer abends in der Kneipe? Es bedeutet, dass wir keine Angst davor haben müssen, den Gürtel enger zu schnallen. Im Gegenteil: Wir müssen die schwarzen Handschuhe anziehen und darum kämpfen. Jedoch sollten wir nicht den Fehler machen und nur – metaphorisch gesprochen – auf den Sandsack Susanne Fröhlich einschlagen. Nein, wir müssen uns selbst besiegen. Wenn wir unser angefressenes Fett nicht als Grundrecht verstehen, das SPD und Sozialstaat zu schützen haben, sondern als Problem, kann weniger mehr sein. Es könnte der größte Sieg werden seit Bölls Nobelpreis.

3. Und was bedeutet der Sieg des ehemaligen Berufsboxers Henry Maske (43) in einem RTL-Unterhaltungsformat gegen den gleichaltrigen Virgil Hill aus North Dakota (117:110, 117:110, 116:113)? Es ist ein Sieg aller 43-Jährigen in diesem Land. Über alle 43-Jährigen aus North Dakota. Es heißt, dass Deutschland seine 43-Jährigen viel zu früh abgeschrieben hat. Gewiss, die 43-Jährigen von heute sind die 67-Jährigen von morgen. Aber bis dahin werden sie den Kahn ziehen, den Dampfer befeuern, die Einschaltquoten und bei entsprechender Verwendung auch die Geburtenraten in Schwindel erregende Höhe treiben, um dann als Fulltime-Väter den ganz großen Triumph zu landen, das ist, die Ärsche zu Hause abzuwischen statt wie bisher im Büro.

4. Gibt es eine Analogie zwischen Maske und Kanzlerin Angela Merkel (CDU)? Oh ja. So wie Maske sich meisterhaft um seinen Gegner Hill herumbewegte, Millimeter um Millimeter, ohne auch nur einen Treffer zu benötigen, so tänzelt Merkel wolkig (DDR-Vergangenheit, Wolke-Schule?) um die Probleme der Menschen in diesem Land herum und bewegt ab und an die Führhand nach vorn, um Kontrolle und Restleben zu signalisieren. So zwingt sie den anderen eine Simulation auf. Die diese verzweifeln lässt, bis sie so wütend werden, dass sie wie Hill mit dem Kopf gegen irgendetwas rennen, nur um Leben zu spüren. Tja, dann bluten sie aus, und Merkel hat gewonnen. Der CDU geht es längst genauso.

5. Was wird aus dem TV-Ex-Unterhalter Thomas Gottschalk? Nichts mehr. Gottschalk war seit langem ein Champ auf Abruf, sein Nachfolger als Weltmeister des Massengeschmacks steht auch längst fest (Stefan Raab). Nur stellte bisher kein konkurrierender Veranstalter einen Fighter gegen ihn in den Ring. Nach dem vergangenen Samstag und seinem Quoten-K.o. gegen Maske (10,5:15,9 Mio) ist er auch ohne offizielle Herausforderung erledigt. Gottschalk sollte zurücktreten. Nach angemessener Zeit (ein Monat?) will er Revanche – und tritt gegen Jopie Heesters an. Das könnte eng werden.

6. Bringt das wieder Quote? Null. Bei ProSieben tritt nämlich zeitgleich Raab gegen Maske an.

7. Maske warf sich nach seinem Triumph dankbar auf seine Frau. Es waren emotionale und ästhetisch einwandfreie Bilder. Fröhlich warf sich neben der Waage nicht auf ihren Lebenspartner. Warum nicht? Es wäre schon wichtig, auch noch zu wissen, was das zu bedeuten hat.