: Der Streik hat sich gelohnt
LÖHNE Gebäudereiniger kriegen mehr Geld, auch Mindestlohn soll steigen
BERLIN taz | Die Gebäudereiniger bekommen ab 2010 mehr Lohn. Die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) einigten sich am Donnerstag auf einen Tarifabschluss. In Westdeutschland steigen die Löhne von Putzkräften ab Januar 2010 um 3,1 Prozent, in Ostdeutschland um 3,8 Prozent. Im Jahr 2011 werden die Gehälter noch einmal um 1,8 Prozent (West) und 2,5 Prozent (Ost) angehoben.
IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel lobte den Abschluss: „Der Streik hat sich ausgezahlt.“ Die Gewerkschaft habe das erste Angebot der Arbeitgeber durch den „mutigen und starken Einsatz der streikenden Kolleginnen und Kollegen weit übertroffen“. Doch auch die Arbeitgeber zeigten sich erfreut. „Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden und konnten damit das seit Jahrzehnten bewährte Mindestlohn- und Tarifsystem in unserer Branche erhalten und weiter entwickeln“, sagte Verhandlungsführer Bernd Jacke. Die IG-BAU-Mitglieder werden über den Abschluss abstimmen, die Streiks sind ab heute ausgesetzt.
Neben der Lohnsteigerung in zwei Stufen enthält die Einigung auch den Einstieg in eine betriebliche Altersversorgung. Durch eine Öffnungsklausel können Beschäftigte in Zukunft einen Teil ihres Bruttolohns steuer- und sozialversicherungsfrei ansparen. Die Arbeitgeber legen ihre eingesparten Sozialversicherungsbeiträge dazu. Der Anteil der Sozialversicherungsbeiträge am Bruttolohn liegt in Deutschland bei rund 40 Prozent. Ein Beispiel: Würde eine Reinigungskraft 100 Euro im Monat in die Altersvorsorge stecken, würde die Firma laut der Vereinbarung ihren Sozialversicherungsanteil – etwa 23 Euro – dazuzahlen. Auf dem Vorsorgekonto der Beschäftigten bei der Sozialkasse des Baugewerbes gingen 123 Euro ein.
Beide Tarifpartner forderten die Bundesregierung auf, die neuen Tariflöhne als Mindestlohn für die Branche mit ihren 860.000 Beschäftigten als allgemeinverbindlich zu erklären. Nach der bisherigen Gesetzgebung kann dies der neue Arbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) veranlassen. „Die Tarifparteien müssen jetzt einen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit stellen“, sagte eine Ministeriumssprecherin. „Dann kann das Ministerium einen Mindestlohn per Rechtsverordnung erlassen.“ Mehrfach hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärt, bestehende Mindestlöhne nicht anzutasten – Jung wird die Regelung daher wohl absegnen.
So unkompliziert dürfte es zukünftig für neue Branchen nicht mehr laufen. Laut Koalitionsvertrag wollen Union und FDP über einen neuen Mindestlohn in Zukunft das gesamte Kabinett bestimmen lassen. „Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen auf dem Verordnungswege werden einvernehmlich im Kabinett geregelt“, heißt es in dem Papier. Die FDP aber lehnt Lohnuntergrenzen vehement ab. ULRICH SCHULTE