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Archiv-Artikel

Der Staat surft mit

US-Behörden wollen von den Suchmaschinen Daten über das Surfverhalten der Nutzer. Doch Branchen-Riese Google wehrt sich gegen den Vorstoß. Auch Datenschützer warnen vor Missbrauch

VON TARIK AHMIA

Der Internetsuchdienst Google hat keinen besonders guten Ruf, wenn es um Datenschutz geht: Häufig wurde er als Datenkrake kritisiert, der jede Suchanfrage und alle Informationen über seine Nutzer akribisch über Jahre speichert. Das Unternehmen könnte nun in einem aktuellen Rechtsstreit, der zwischen Google und dem US-Justizministerium entbrannt ist, wieder Boden gutmachen: Die US-Behörden drängen den Suchdienst zur Herausgabe von Nutzerdaten, doch Google schaltet auf stur: „Wir werden uns den Forderungen der Behörden vehement widersetzen“, erklärte Google-Anwältin Nicole Wang am Donnerstag.

Hintergrund für die Begehrlichkeiten der US-Justiz ist angeblich die Bekämpfung der Pornografie im Internet. Zu diesem Zweck hat das Justizministerium alle großen Suchmaschinenbetreiber in den vergangenen Monaten aufgefordert, umfangreiche Datensammlungen über das Surfverhalten der Nutzer herauszugeben.

Konkret sollen Suchdienste wie Google, Yahoo und MSN alle Suchanfragen einer vollständigen Woche preisgeben – da kommen einige Milliarden zusammen. Außerdem verlangen die Beamten von jedem Suchdienst eine Million zufällig ausgewählter Websites aus ihrem Suchindex. Die Juristen wollen anhand der Stichproben beweisen, dass man auch beim zufälligen Surfen pornografischen Darstellungen im Internet kaum entgehen kann – so verbreitet seien sie. Vor allem Kinder sollen in Zukunft vor dem Sündenpfuhl Internet geschützt werden.

Mit dem Vorstoß will die bibelfeste US-Administration oberflächlich ein Gesetz wieder zum Leben erwecken, mit dem sie schon vor zwei Jahren vor dem obersten Gerichtshof der USA gescheitert war: Der „Child Online Protection Act“ (Copa) drohte allen Betreibern kommerzieller Websites Strafen bis zu 50.000 US-Dollar und sechs Monaten Haft an, die „für Minderjährige schädliches Material anbieten“.

Schädlich sind laut Gesetz Bilder, Tonaufnahmen oder Schriften, „die einem lüsternen Interesse an Nacktheit, Sex und Ausscheidungen dienen“. Doch der Supreme Court sah darin das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt und verwies auf die Verantwortung der Eltern, die sich selber darum kümmern sollten, was die lieben Kleinen beim Surfern zu sehen bekommen – überdies gebe es geeignete Filterprogramme.

Mitglieder der American Civil Liberties Union hatten damals den Copa zu Fall gebracht, und auch diesmal sind es Bürgerrechtler, die die offizielle Begründung der Pornografiebekämpfung für vorgeschoben halten. Denn in Zeiten des „Patriot Act“, der die Rechte von US-Bürger bereits empfindlich einschränkt, werden die Begehrlichkeiten der US-Sicherheitsdienste immer größer.

„Solche Daten sind für die Behörden unwiderstehlich“, meint der US-Datenschützer Chris Hoofnagle. Schon anhand der jetzt geforderten Preisgabe der Suchanfragen könne man die Identität der Nutzer herausfinden, warnen Datenschützer. Sie befürchten, dass die Behörden mit Hilfe des Jugendschutzes dauerhaft an die Daten zur Internetnutzung von Millionen US-Bürgern herankommen wollen.

Googles harsche Reaktion ist deshalb auch bemerkenswert, denn auch Google scheint mehr als nur den Jugendschutz zu fürchten. Dabei ist Google bisher nicht als zimperlich aufgefallen, wenn es um die Kooperation mit Behörden geht. In China filtert Google auf Druck der dortigen Behörden bereitwillig seine Suchergebnisse. Regelmäßig sucht Google in seinen Stellenanzeigen nach Mitarbeitern, die über eine „Government Top Security Clearance“ verfügen, also eine Sicherheitsüberprüfung durch die US-Regierung.

Auch in seinen Vertragsbedingungen weist Google ausdrücklich darauf hin, dass die Firma jederzeit Daten an Behörden weitergibt, soweit dies die Rechtslage im Einzelfall erfordert.

Im jetzigen Rechtsstreit haben die Suchdienste von Yahoo und Microsoft die geforderten Daten bereits ausgehändigt. Eine pauschale staatliche Lauscherlaubnis geht den Leuten von Google aber offenbar zu weit.