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Archiv-Artikel

Der Speer kann auf eine Spitze verzichten

Die Friedensbewegung reagiert skeptisch auf die Antikriegsresolution der Grünen: Man könne nicht gegen den Krieg sein und ihn „hintenrum“ unterstützen. Zudem fürchtet die Bewegung um ihren basisdemokratischen Charakter

BERLIN taz ■ Der Versuch der grünen Partei, Regierungspartei und gleichzeitig „Speerspitze“ der außerparlamentarischen Oppositionen gegen einen möglichen Irakkrieg zu sein, ist in der Friedensbewegung zunächst auf Skepsis gestoßen. Den Grünen gehe es darum, „die Menschen zu mobilisieren“, sagte Parteichef Reinhard Bütikofer, nachdem der Parteirat sich am Montag auf eine Antikriegsresolution verständigt hatte. Nun löst das grüne Ansinnen, die Friedensbewegung zu umarmen, bei den Aktivisten weniger Freude als Zweifel und Abwehrreflexe aus.

„All das ist sehr unstet“

„Die Initiative halte ich für völlig unglaubwürdig“, sagte Philipp Hersel vom Attac-Koordinierungskreis zur taz. In den letzten vier Jahren hätten sich die Grünen nicht als Friedenspartei profiliert. Bei den Themen Kosovo und Afghanistan habe sich gezeigt, dass die Partei „nicht Teil der Friedensbewegung“ sei.

„Eine kriegskritische Haltung ist bei den Grünen bisher kaum sichtbar geworden“, kritisiert auch Christoph Bautz, Sprecher der Initiative „Resist the war“. Die letzten Wochen hätten gezeigt, dass die Regierung schwanke. „All das ist sehr unstet“, sagte Bautz. Schon beim Thema Globalisierungskritik hätten die Grünen nach Genua versucht, die außerparlamentarische Opposition zu umarmen. „In der Regierungspolitik hat sich das später wenig niedergeschlagen“, kritisiert Bautz. Dennoch sagt der Aktivist: „Ich kann mir durchaus eine Kooperation vorstellen.“ Auch für die Grünen gebe es Arbeit in der Antikriegsfront. Nur nicht die, die sie jetzt laut Parteiratsbeschluss gern übernehmen würden. „Die Grünen müssten, wenn sie dabei sein wollen, unsere Forderungen ins Parlament und in die Regierung tragen“, fordert Bautz. Es wäre „sinnvoll“, sich die Arbeit zu teilen.

Allerdings fürchten die Friedensaktivisten um den basisdemokratischen Charakter ihrer Bewegung, sollten die Grünen wirklich Ernst machen mit dem Spagat zwischen regieren und protestieren. „Einem locker organisierten Zusammenschluss tut eine Partei an der Spitze nicht unbedingt gut“, denkt Philipp Hersel. Er würde sich freuen, wenn die Regierung täte, was die Bewegung fordert. „Doch ich bezweifle, dass Grüne und Friedensbewegung das Gleiche denken“, sagte Hersel der taz.

Lange Wunschliste

Da hat er nicht ganz Unrecht. Zwist wäre in der von den Grünen angestrebte Phalanx unvermeidbar. Denn die Wunschliste der Friedensbewegten ist lang: Abzug der Spürpanzer aus Kuwait, den Amerikanern kein Nutzungsrecht für ihre Stützpunkte in Deutschland, keine Überflugrechte für alliierte Flugzeuge, keine deutschen Soldaten in Awacs-Aufklärern.

„Seit einem Jahr schon liegen unsere Forderungen auf dem Tisch“, pariert Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, die grüne Pazifismusoffensive. Man könne nicht gegen den Krieg sein und ihn „hintenrum“ unterstützen. Seiner Meinung nach wünsche sich dies auch die grüne Basis. „Viele Grüne arbeiten in der Friedensbewegung mit“, sagte Strutynski.

Eine erste Gelegenheit zu beweisen, wie sie das mit ihrer Parteiratsresolution meinen, haben die grünen Parteistrategen schon in anderthalb Wochen. In bester friedensbewegter Tradition ruft die Kampagne „Resist the war“ am 25. Januar zu Sitzblockaden vor dem Nato-Stützpunkt Geilenkirchen auf.

Bisher haben bei „Resist“ 4.000 Menschen unterschrieben, dass sie an solchen Aktionen teilnehmen wollen. Noch anderthalb Wochen haben die beiden Grünenchefs Beer und Bütikofer Zeit, auch ihre Namen auf die Liste zu setzen.

MATTHIAS BRAUN