■ Der Sieg des Ex-Hippies und Vietnamkriegsgegners wird in aller Welt vorsichtig bis freundlich begrüßt. Schamir freut sich, und Gaddafi feiert die „Revolution gegen die Neue Weltordnung“, nur die alte Garde in Peking schweigt zum Abgang Bushs: Neue Weltordnung out
Herzlichen Glückwunsch“, riefen sich die Leute auf den Straßen zu, und Regierungsbeamte umarmten sich auf dem Weg zu ihren Schreibtischen. Beobachtungen, nicht aus Little Rock in Arkansas, sondern von den zentralen Plätzen in Bagdad. Trotz des offiziell vermiedenen Triumphs, die Nachricht von Bushs Niederlage lief in Radio Bagdad unter ferner liefen, wollte zumindest die amtliche Zeitung Al Dschumhurija ihrem Herzen Luft machen und titelte: „Golfkriegssieger auf dem Müllhaufen der Geschichte – verflucht von den irakischen Kindern, deren Träume er vernichtet hat“. Für den Autor des Grünen Buchs, Muammar el Gaddafi, ist Bill Clintons Wahlsieg gar eine Revolution. Und zwar eine Revolution gegen den „Mythos“ der von George Bush angestrebten Neuen Weltordnung und eine „internationale Politik“, durch die die Welt mit Terror habe leben müssen, so Gaddafi am Mittwoch.
Gedämpfter fielen die Reaktionen auf die Niederlage des Republikaners in anderen Ländern des Nahen Osten aus. Israels Premier Rabin ließ durchblicken, daß er sich von Clinton mehr Unterstützung erhofft, als Baker sie zu geben bereit war. Und Ex-Premier Schamir frohlockt: „Jetzt gibt es eine Chance für Israel.“ Entsprechend spiegelbildlich sind die Befürchtungen in Kairo, wo Ägyptens Außenminister Amre Mussa den Wahlsieger in Washington beschwor, am Prinzip Land gegen Frieden festzuhalten und gleichzeitig weiterhin aktiv den Friedensprozeß voranzutreiben.
Echte Sorgen löste der Wahlsieg Clintons vor allem in Asien aus. Die politische Elite in Tokio kann ihre Angst vor einem neuen Protektionismus in den USA, der den wichtigsten ausländischen Absatzmarkt für japanische Produkte gefährden würde, kaum verbergen. Ausgerechnet der japanische Außenminister Michio Watanabe, der Clinton gestern als erster zu seinem Sieg gratulierte, hatte am Vortag der Wahl seine Sorgen öffentlich gemacht: „Es kann uns passieren, daß die Demokraten in Washington strenger mit Importbegrenzungen umgehen.“ Der japanische Außenminister spielte damit auf die Anwendung des in Tokio gefürchteten sogenannten „Super Trade Act 301“ an, der dem amerikanischen Kongreß erlaubt, produktspezifische Importrestriktionen gegen Länder zu verhängen, die angeblich unfaire Handelspraktiken haben. Japan wurde hier in den USA wiederholt angeklagt, und es war vor allem der Opposition von Präsident George Bush zu verdanken, daß der demokratische Kongreß in Washington bisher noch keine Importstopps gegen Japan verfügt hat. Noch deutlicher griff Außenminister Watanabe die China-Politik des zukünftigen US-Präsidenten an. „Wenn die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China ins Stocken geraten“, warnte Watanabe, „wird das die Weltrezession verschärfen.“ Damit grenzt sich die japanische Regierung bereits heute von dem Versprechen Clintons ab, in der China-Politik künftig den Menschenrechten Vorrang vor Handelsfragen einzuräumen.
Mit offiziellen Reaktionen hielten sich die alten Männer der Führung in Peking gestern noch zurück. Ihren „alten Freund“ George Bush kannten die kommunistischen Machthaber in Peking, und er wäre ihnen im Weißen Haus als „kleineres Übel“ lieber gewesen als der noch „unbekannte Faktor“ Clinton. Mit seinen 46 Jahren ist Clinton der alten Garde in Peking geradezu verdächtig jung.
Westeuropa bleibt gelassen
In Westeuropa herrscht im wesentlichen die Einschätzung vor, Clinton werde Bushs Europapolitik ohne große Veränderungen fortsetzen. Durchgängig erwarten die EG-Regierungen einen stärkeren militärischen Rückzug und heftigere Auseinandersetzungen auf dem wirtschaftlichen Sektor. Jacques Delor kabelte für die EG nach Washington, er hoffe auf eine gute Arbeitsbeziehung, und fügte warnend hinzu: „Gemeinsam erreichen wir mehr als getrennt.“ Die Bundesregierung gibt sich betont gelassen, wenn es auch in Bonn als offenes Geheimnis gilt, daß Kohl bis zuletzt auf einen Sieg von „my friend George“ gehofft hatte. Kohl rechnet Bush hoch an, daß dieser ihn bei der Vereinnahmung der DDR rückhaltlos unterstützt hatte und die Deutschen in den Rang einer befreundeten Führungsmacht erhob. FDP-Chef Lambsdorff ist da weniger sentimental. Voller frischem Opportunismus verkündete er: „Der Wechsel war fällig.“ Echte Freude dagegen bei der SPD- Spitze. Engholm möchte den Sieg Clintons gerne zu einem Vorläufer seines baldigen eigenen Triumphs über Kohl gedeutet wissen, da die Welt offenbar überall nach einem Wechsel der Führungsgarnitur verlange. Bush sei von der Macht verschlissen gewesen. Größte Sorge in Bonn: Wie wird es mit den Gatt-Verhandlungen weitergehen, und – analog zu Tokio – könnte sich Clinton womöglich als Verfechter protektionistischer Maßnahmen entpuppen.
Wesentlich verhaltener dagegen die ersten Reaktionen in Osteuropa. Obwohl die führenden Politiker Moskaus lieber den alten Bush im Weißen Haus gesehen hätten, gab man sich gelassen. Präsident Jelzin gratulierte – wie es sich gehört – und gab seiner Hoffnung auf weiterhin wachsende Gemeinsamkeit Ausdruck. In der nächsten Zeit muß Clinton mit einem Schwall russischer Initiativen rechnen. Vornehmlich Abrüstungs- und wirtschaftliche Kooperationsvorschläge, hieß es im Umkreis der russischen Regierung. Ganz ruhig blieb es in Belgrad. Offiziell gab es überhaupt keine Stellungnahme zum Machtwechsel im Weißen Haus. Ob Premier Milan Panic, US-Bürger serbischer Abstammung, Wahlsieger Clinton bereits gratulierte, war durch die Medien nicht einmal in Erfahrung zu bringen. Glaubt man serbischen Zeitungskommentaren der letzten Wochen, so hat Clinton ein „differenzierteres Bild“ zum Krieg in Bosnien als Bush. Mit anderen Worten: mehr Verständnis für den „Verteidigungskampf der serbischen Bevölkerung“. So der allgemeine Tenor der Belgrader Presse. Nur die oppositionelle Borba sieht es umgekehrt: Wegen des Wahlkampfes habe sich Washington in den letzten Monaten aus internationalen Konflikten herausgehalten. Das könne sich nun ändern, spätestens dann aber, wenn der russische Präsident Boris Jelzin durch extreme Nationalisten und Altkommunisten gestürzt werden sollte. Auch Clinton verurteile die aggressive Politik des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević. Von den taz-Korrespondenten
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