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■ Der Senat und seine UmfragenStatistik von Statisten

Mit der Statistik verhält es sich wie mit der Haute Couture: Gefragt ist, was sich schickt. Was kratzt und juckt hingegen, landet im Reißwolf. Als derlei Trendsetter betätigt sich auch der Regierende Bürgermeister: „Osten optimistisch“ lautete unlängst die Message einer vom Senat in Auftrag gegebenen Umfrage. Genausogut aber hätte es heißen können: „Der Osten sieht rot.“ Oder besser: wählt Rot – immerhin belegte das Zahlenwerk eindrucksvoll den Trend der CDU zur ostbezirklichen Splitterpartei und bescheinigte der PDS gesamtberlinerisch mit Platz drei einen Achtungserfolg. Derlei zu betonen wäre freilich Erbsenzählerei, hätte der Senat nicht über ein weiteres Umfrageergebnis den Mantel des Schweigens gelegt: SPD-Staffelt, so hatte Emnid nämlich für den Senat ermittelt, liegt mit 48 Prozent in der Wählergunst erstmals vor dem bei 42 Prozentpunkten dümpelnden Diepgen.

Nun ist es ein offenes Geheimnis, daß eine Statistik nur so gut ist wie ihre Auftraggeber. „Mehrheit der Berliner für Olympia“ verkündeten die Senatsstatisten im vergangenen Jahr ein ums andere Mal und verschwiegen, daß mit Fragen wie „Olympia statt Arbeitslosigkeit“ selbst der Neubau eines Großflughafens im künftigen Regierungsviertel begrüßt worden wäre. So verwundert es auch nicht, wenn nun der Diepgen-Sprecher und Umfragedesigner Michael Andreas Butz zugeben mußte, daß die Olympiabewerbung, wie von den Grünen stets behauptet und von Butz stets dementiert, tatsächlich fast doppelt so teuer war als immer vorgerechnet.

Jede Regierung ist bekanntlich nur so gut, wie man auf sie zählen kann. Der Senat, das dürfte spätestens jetzt jedem bewußt geworden sein, ist eine umfragepolitische Discounter-Kette, der ein Abakus künftig besser zu Gesicht stünde als die Veröffentlichung weiterer Umfrageergebnisse. Nicht auszudenken schließlich, daß zur Erhöhung der Kriminalitätsstatistik, die unlängst Superexecutor Heckelmann allein den anti-olympischen Straftätern zurechnete, nun auch noch der Senat beitrüge: wegen unerlaubten Glücksspiels mit der öffentlichen Meinung. Uwe Rada

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