piwik no script img

■ Der Schweizer Zivilschutz ist auf Zack:Jodpillen für alle Fälle

Berlin (taz) – Der Schweizer an und für sich ist sicherheitsbedürftig. Dem trägt nicht nur das eidgenössische Bundesheer mit seinen permanenten Manövern gegen den imaginären äußeren Feind Rechnung, auch der sogenannte Zivilschutz ist in der alten Bergrepublik hochentwickelt. Zivilschutz gegen Naturkatastrophen, jedem Haus seinen Atombunker für den V-Fall, das gibt es schon lange. Dazu kommen nun bis zum Jahresende zehn Jodtabletten für jeden. Das Ziel: mehr Sicherheit beim Atomunfall. Es könnte ja eins der fünf Atomkraftwerke im Lande plötzlich explodieren. Heute sind nach einem Bericht des Wall Street Journal die BürgerInnen der Gemeinde Obergoesgen an der Reihe: In gewohnt Schweizer Gründlichkeit gehen dort 15 Zivilschützer von Tür zu Tür und verteilen an die Nachbarn des Atomreaktors Obergoesgen pro Haushaltsmitglied die obligatorischen zehn Jodpillen. Ein Infoflugblatt in elf Sprachen liegt den Pillen bei. Die kleinen weißen Pillen der Firma Merk sollten beim Super- GAU in der Nachbarschaft die Anreicherung von radioaktivem Jod in der Schilddrüse verhindern, heißt es, und so Strahlenkrebs vermeiden helfen. Das mitgelieferte blau-weiße Hinweisschild – an der richtigen Schublade angebracht – werde den Obergoesgenern im Ernstfall auch nach Jahren den Weg zu ihren Pillen weisen. Aber wirklichen Schutz geben die kleinen weißen Freunde auch den disziplinierten Schweizer nicht. Gegen radioaktives Casium und Strontium helfen die Pillen nämlich gar nichts. Die meisten Eidgenossen sind aber auch nicht naiv genug, zu glauben, mit den 65 Millionen Pillen, die die Regierung für sie erworben hat, sei ihre Gesundheit im Katastrophenfall nachhaltig geschützt. „Wenn die Pillen nur das leisten, was der Doktor sagt, reicht mir das“, sagt AKW-Nachbar Rene Wiederkehr. ten

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen