■ Der Rücktritt des Anti-Korruptionsermittlers Di Pietro: Ein Schlitzohr, das ausgezogen war, Hoffnung zu verbreiten
Über all die – schon fast wie Leichenreden anmutenden – Lobsprüche auf den zurückgetretenen Untersuchungsrichter Antonio Di Pietro als den „mutigen“, den „einmaligen“, den „Hoffnung spendenden“ Staatsanwalt aus Mailand ist schon längst untergegangen, worin denn eigentlich das Verdienst dieses ewig verlegen grinsenden, redesprudelnden, aber oft auch stotternden Strafermittlers besteht. Sicher nicht in der ihm zugeschriebenen „Aushebelung des alten Regimes“, wie es fast unisono heißt. Denn dieses ist, jedenfalls seiner Struktur nach, längst wieder eingekehrt.
Tatsächlich lag Di Pietros Hoffnung spendende Leistung ausschließlich in seiner geradezu unerschöpflichen Fähigkeit, bestehende Normen umzudeuten. Und dies, ohne jemals einen Rechtsbruch zu begehen oder phantasielos „bessere Handhaben und juristische Mittel“ zu fordern.
Tatsächlich hat Di Pietro bewiesen, wieviel man mit vorhandenen Gesetzen und Verfahrensvorschriften ausrichten kann, wendet man sie nur richtig an. Man braucht sich dazu nur seine Neuinterpretation des Schmiergeldfilzes anzusehen: Zwar seien die Bestechenden irgendwann mal der aktive, also der kriminell gefährlichere Teil der Mauschelei gewesen; doch, so Di Pietro, inzwischen haben Politiker, Beamte und Parteien sich in die Rolle der unentwegt Fordernden begeben – und da sie dies mit Hilfe ihrer Machtposition bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch durchsetzen können, handelt es sich um nichts anderes als Erpressung. Wenn das eingenommene Geld dann auch noch gewaschen wird, ist das nichts anderes, als daß die Herkunft krimineller Einkünfte verborgen wird, vulgo: Hehlerei.
Diese Umwertung vorher nur als Kavaliersdelikte gegen das Parteienfinanzierungsgesetz verfolgter und damit immer wieder im Sand verlaufener Verfahren schob die Angelegenheit dorthin, wohin sie gehörte – in den Bereich ordinärer Kriminalität. Und sie machte auch eine Amnestie, wie sonst bei Parteispendenverfahren, unmöglich. Gleichzeitig ermöglichte sie einen Ausweg der „Bestechenden“: Die Unternehmer durften sich damit zumindest partiell auch als Opfer darstellen – und wurden daher sehr schnell geständig. Zwar bekamen sie danach auch noch Strafen, doch über die starke Milderung der Urteile (meist auf eine moderate Geldbuße) hinaus ersparte ihnen diese Wertung die gefürchtete Untersuchungshaft.
Natürlich ist manches, was Di Pietro vollbracht hat, nicht ohne weiteres auf andere Rechtskulturen zu übertragen. Untersuchens- und abwägenswert sind Di Pietros Arbeitsmethoden allemal, auch für den Gebrauch in Deutschland. Sie könnten uns in vielen Fällen die leidigen Streitereien um dubiose „neue Instrumente“ ersparen.
Werner Raith
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