Der Protest von Kopenhagen: Vorsorglich eingekesselt
In Kopenhagen und anderswo gab es Demonstrationen für wirksamen Klimaschutz. Rund 1.200 Menschen wurden zeitweise festgenommen. Das dänische TV übertrug Livebilder.
KOPENHAGEN taz | Die genaue Zahl kennt niemand, doch am Ende einigten sich Polizei und Organisatoren auf eine Größenordnung von 100.000: So viele Menschen demonstrierten am Samstag in Kopenhagen für rasche Maßnahmen zur Abwendung einer Klimakatastrophe. Die Aktionen verliefen weitestgehend friedlich, dennoch nahm die Polizei am Ende fast 1.000 Demonstranten fest - "ganz überwiegend vorbeugend", wie ein Sprecher sagte.
Am Morgen hatten Umweltorganisationen bei strahlendem Sonnenschein den Aktionstag mit einer symbolischen Flutwelle blau gekleideter Menschen eingeläutet. Auf einer Trage wurde eine kranke, verletzte Weltkugel transportiert. Gegen Mittag versammelten sich dann Zehntausende vor dem Schloss Christiansborg. "Wie lange wollen die Staatsführer noch zulassen, dass Menschen bei uns durch den Klimawandel sterben?", ruft die Sängerin Angelique Kidjou aus Benin. "Wir sind für ein ehrgeiziges Klimaabkommen, für ganz schnelles Handeln und für Gerechtigkeit gegenüber den Armen", sagte der Sprecher der dänischen Organisatoren, Knud Vilby.
Fast eine Stunde dauerte es, bis am Ende der Veranstaltung der letzte Block den Schlossplatz in Richtung des Konferenzgeländes im Süden der Stadt verlassen hatte. "Have a good march and spread some love", rief ihnen der DJ von der Hauptbühne hinterher. Die Protestler überquerten eine Brücke, vom Wasser aus grüßten Boote, auf deren Segeln "Climate change is the symptom, capitalism is the crisis" zu lesen war.
Parallel zu den Kopenhagener Protesten demonstrierten rund um die Welt Menschen für wirksamen Klimaschutz. In Australien zählten die Veranstalter rund 50.000 Demonstranten. In Hongkong trugen die Protestteilnehmer Rettungsringe mit der Aufschrift "Klimawandel tötet". In der philippinischen Hauptstadt Manila hatten sie rote T-Shirts angezogen als Zeichen für die "Alarmstufe Rot", in der sich die Klimaverhandlungen befinden.
In Kopenhagen flogen während der ersten 800 Meter des Demonstrationszuges einzelne Wurfgeschosse in Scheiben der Börse und des Außenministeriums, später ein einzelner Stein in das Fenster einer Bankfiliale. Kurz darauf griff die Polizei den Demonstrationszug überraschend an. Mit Greiftrupps und gepanzerten Mannschaftswagen wurde auf Höhe des "libertär-sozialistischen" Blocks das letzte Viertel des Zuges von den Vorausgehenden abgetrennt. Hunderte wurden in Sekundenschnelle eingekesselt. Journalisten, die die Aktion beobachten wollten, wurden weggestoßen.
Der von der Polizei umgeleitete Zug erreichte gegen 17 Uhr den Tagungsort des Gipfels. Die dänische Konferenzpräsidentin, Connie Hedegaard, und der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, nahmen eine Resolution entgegen. "Ihr habt recht, wir haben genug geredet und müssen jetzt handeln", sagte Hedegaard. Die Eingekesselten mussten derweil bis 18 Uhr in langen Reihen bei Minusgraden auf dem Boden sitzen. Ihre Arme waren auf dem Rücken mit Kabelbindern gefesselt, Augenzeugen berichteten von Ohnmachtsanfällen der bitter frierenden Gefangenen, die nicht auf die Toilette durften.
Nur zögerlich ließ die Polizei die anwesenden Journalisten hinzu. Etwa 150 Menschen, darunter eine Sambagruppe, harrten vor dem Polizeikessel aus und forderten mit Sprechchören die Freilassung der Gefangenen. Das dänische Fernsehen übertrug bis in den späten Abend Livebilder vom Kessel. Laut Polizei wurden ein Polizist und ein schwedischer Demonstrant leicht verletzt.
Auch an anderen Stellen in der Stadt nahm die Polizei am Samstag Demonstranten fest. Bis 23 Uhr stieg die Zahl der Festnahmen auf 968 - obwohl es am Abend weder Ausschreitungen noch Demonstrationen gab. Bis auf zwei Dänen und einen Franzosen, die dem Haftrichter vorgeführt werden sollen, kamen alle 965 anderen Festgenommenen am Sonntag wieder frei.
Viele Demonstranten sind in Kopenhagen geblieben. Ein unangemeldeter Demonstrationszug Richtung Hafen wurde am Sonntag von der Polizei gestoppt. Etwa 200 von mehreren hundert Teilnehmern wurden vorläufig festgenommen, laut Agenturbericht sollen mehr Polizisten als Demonstranten vor Ort gewesen sein. Für Montag ist ein Aktionstag zur Problematik der Klimaflüchtlinge geplant, am Mittwoch die Besetzung des Tagungsortes Ziel eines großen Marschs.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!