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Archiv-Artikel

Der Pilot fürs Weiße Haus sagt aus

Der wegen Beteiligung an den Anschlägen des 11. September 2001 angeklagte Zacarias Moussaoui beschuldigt sich selbst, als Pilot für ein fünftes entführtes Flugzeug vorgesehen gewesen zu sein. Ihm droht die Todesstrafe. Wahrheit oder Wahnsinn?

VON BERND PICKERT

Es war ein Triumphzug der Anklage: Zacarias Moussaoui, der einzige unmittelbar wegen Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September 2001 Angeklagte, hat am Montag als Zeuge im eigenen Prozess ausgesagt. Seine Erklärungen, mit ruhiger Stimme vorgetragen, übertrafen die kühnsten Erwartungen der Staatsanwälte. In dieser Woche soll das Gericht darüber beraten, ob Moussaoui zum Tod verurteilt wird.

Moussaoui widersprach seiner eigenen bisherigen Aussage, er sei bis zu seiner Verhaftung im August 2001 zwar Mitglied von al-Qaida gewesen, sei aber in die Anschläge vom 11. September nicht eingeweiht gewesen. Stets hatte er angegeben, lediglich für eine mögliche zweite Anschlagswelle zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen gewesen zu sein.

Jetzt, da die Staatsanwaltschaft sich nach den versuchten Zeugenbeeinflussungen der vergangenen Wochen in einer schlechteren Ausgangsposition befand als je zuvor, belastete sich Moussaoui schwer: Er habe von dem Plan gewusst, habe nach seiner Verhaftung bewusst nichts darüber gesagt, um den Erfolg der Anschläge nicht zu behindern, und habe sich im Gefängnis extra ein Radio gekauft, um die Erfolgsnachricht hören zu können. Er selbst sei allerdings nicht, wie die Anklage ursprünglich angenommen hatte, als „20. Entführer“ in einem der vier Flugzeuge vorgesehen gewesen, sondern hätte als Pilot selbst ein fünftes Flugzeug entführen und ins Weiße Haus fliegen sollen. Ihm habe dabei der Brite Richard C. Reid zur Seite stehen sollen, der später als versuchter „Schuhbomber“ auf einem Flug von Paris nach Miami verhaftet wurde und derzeit in den USA eine lebenslange Haftstrafe absitzt. Niemand hat bislang davon gehört, das Reid in irgendeinem Kontakt mit Moussaoui gestanden habe, noch dass er vor seinem Transatlantik-Flug je versucht habe, in die USA zu reisen.

Moussaoui, der in der Vergangenheit mehrmals im Gerichtssaal laut geworden war und die USA verflucht hatte, sprach diesmal ruhig und konzentriert.

Die Verteidigung – vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger, mit denen Moussaoui nicht spricht – verlas ihrerseits eine Zeugenaussage des an unbekanntem Ort festgehaltenen Khalid Sheikh Mohammed, dem mutmaßlichen intellektuellen Kopf der Anschläge. Er spielt die Rolle Moussaouis herunter, bestätigt dessen frühere Aussage, erst für eine mögliche zweite Welle vorgesehen gewesen zu sein, deren Planungen allerdings noch in der Anfangsphase gesteckt hätten.

Die wichtigste Frage, die sich die Öffentlichkeit jetzt stellt, ist die nach dem Warum. Warum lässt Moussaoui, der sich stets um eine Verteidigungsstrategie bemüht hat, die ihn vor der Todesstrafe schützen könnte, gerade jetzt sein ganzes Verteidigungsgebäude zusammenstürzen. Ist er geistig verwirrt oder lebensmüde? Oder will er so erscheinen und macht deshalb Aussagen, die so nicht stimmen können, damit man ihn für verrückt erklärt?