: Der Pastor am Computer
■ Predigt-Textverarbeitung, Luther auf Diskette und Computerspiel im Pfarrhaus
„Eigentlich bin ich überhaupt kein Computer-Freak“, sagt Pastor Gehrke. Die Klarstellung tut not, denn wer unter den hundertjährigen Eichen des Rablinghauser Kirchgartens hindurch zum Gemeindebüro kommt, wird schon vor der Tür von einem Computer empfangen: Ein Nadeldrucker hat ihn auf Papier gepunktet, „Gemeindebüro“ steht darüber und die Öffnungszeiten stehen darunter. „Im Büro haben wir einen 'XT‘ für die Friedhofsverwaltung und die Gemeindefinanzbuchhaltung“, erzählt Pastor Gehrke in seinem Arbeitszimmer. Dort steht sein eigener „AT“, ein Personalcomputer mit Programmen für grafische Gestaltung, Datenbank, Textverarbeitung und vielen pfarrhausspezifischen Extras.
Wenn Pfarrer Gehrke zum Bei
spiel seinen Gottesdienst vorbereitet, dann schiebt er die Diskette mit dem Programm „elbikon“ ins Laufwerk: Jetzt hat sein PC das gesamte Gesangbuch geladen. Je nach Predigt -Thema spuckt „elbikon“ auf Tastendruck Zitate aus: zum Stichwort „König“ zum Beispiel 93 Liedstellen. Zu allgemein dürfen die Suchworte nicht sein, denn gleich 898 mal findet „elbikon“ das Wort „Gott“ im Gesangbuch.
Die vom Pastor ausgewählten Lied-Texte druckt der Computer für die Gemeinde auf Papier - bei Beerdigungen auch auf Büttenpapier mit Trauerflor. „Trauer“ ist auch eine Datei auf Pastor Gehrkes PC: Abgespeichert ruhen dort die Grabreden der letzten Jahre, auszudrucken auf Wunsch für die Angehörigen.
Eine Arbeitserleichterung die Datei „Predigten“: Hier sammelt der Pastor seine Sonntagspredigten. Wenn sich die Themen nach sechs Jahren wiederholen, dann kann er alt und neu auf dem Bildschirm nebeneinanderstellen. Den Verdacht, manches ließe sich dann womöglich recyclen, läßt hier bitte die Computerzeichen
Pastor Gehrke nicht gelten: „Aber es ist schon interessant zu sehen, wie man sich in sechs Jahren verändert und wie unterschiedlich die Predigten zum gleichen Thema werden.“
Hilfe bei der Predigt-Textverarbeitung leistet der PC aber doch: Große Abschnitte der Liturgie können als feste Bausteine in das Sonntags-Manuskript eingelesen werden. Und auch bei der Exegese ist der Computer behilflich. Für 260 Mark bietet die Deutsche Bibelgesellschaft 16 IBM-kompatible Disketten mit „Luther 84“, der 1984 zuletzt überarbeiteten Luther-Bibelübersetzung. Das mitgelieferte Programm bietet Stichwortsuche, Textvergleiche und in der erweiterten Version auch parallel den altgriechischen Text.
Es geht sogar noch billiger. Für „das preiswerteste Wort Gottes“ wirbt die Nürnberger Fachzeitschrift „Pfarrer und PC“. 4,5 Megabyte umfaßt der „ASCII-Text“, ist auf sieben Disketten verteilt und für 40 Mark zu haben. Und mit dem Zusatzprogramm „Logos, Version 5.0“ schluckt der PC das ganze auch noch koptisch, kyrillisch und hebräisch letzteres korrekt von rechts nach links geschrieben.
Aber das ist was für Bibel-Spezialisten. Den normalen Gemeindepfarrer interessiert eher eine andere Qualität seines Personalcomputers. „Zwischendurch spiel ich dann auch mal Reversi am Bildschirm“, gesteht Pfarrer Gehrke.
Ase
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