Der Parteienforscher Gero Neugebauer: "Künast kennt die lokalen Probleme nicht"
Was folgt aus der Hamburger Wahl für Berlin? Ein Gespräch mit dem Parteienforscher Gero Neugebauer.
taz: Herr Neugebauer, die SPD hat in Hamburg haushoch gewonnen. Was bedeutet das für den Wahlkampf der Berliner SPD?
Gero Neugebauer: Die Berliner SPD hätte die Möglichkeit, ihre Position auszubauen, wenn sie das Verfahren anwendet, das Olaf Scholz in Hamburg erfolgreich angewendet hat.
Was müsste Klaus Wowereit tun?
Das Grundmuster des Wahlkampfs von Olaf Scholz war: Wirtschaftspolitik und sozialpolitische Kompetenz unter einen Hut zu bringen. Oder, anders ausgedrückt: die Zielsetzung, eine den Problemen der Stadt angemessene sozial gerechte Politik zu machen. Wenn die Berliner SPD dieses Muster kapiert, hätte sie viel gewonnen.
Im Unterschied zu Scholz regiert Wowereit schon lange. Daran wird man ihn messen.
Die Berliner SPD hat mit der Sanierung des Haushalts ein Problem gelöst, das in Hamburg noch bevorsteht: die Nettoverschuldung abzubauen. Was das angeht, muss sich die Berliner Sozialdemokratie also nicht verstecken. Wenn sie ein Problem hat, ist es, dass ihre wirtschaftspolitische Kompetenz bezweifelt wird.
Kommen wir zu den Grünen. Hat es deren Spitzenkandidatin Renate Künast nach Hamburg schwerer, Wowereit abzulösen?
Davon gehe ich aus. Aber auch die Berliner Grünen können von den Hamburger Grünen lernen. Zum Bespiel, dass die Grünen nicht mobilisieren können, wenn sie keine originären grünen Projekte anzubieten haben.
Was müsste daraus für den Wahlkampf folgen?
Die Grünen müssen erkunden, welche Probleme die Bürgerinnen und Bürger der Stadt bewegen, und versuchen, Lösungen anzubieten, die in Übereinstimmung mit dem stehen, was die Partei auszeichnet. Wowereit auf dessen eigenen Feldern schlagen zu wollen, kann Frau Künast vergessen. Dazu ist sie nicht genügend ausgerüstet.
Gerade hat Künast Wowereit vorgeworfen, keine Ahnung von Flugrouten zu haben. Einen intelligenten Wahlkampf stellt man sich anders vor.
Das Problem von Frau Künast ist, dass sie die lokalen Probleme nicht genug kennt, um Lösungen anzubieten. Für Wowereit wird es riskanter werden, wenn Frau Künast aus dem Stadium der Polemik in das Stadium der konkreten Auseinandersetzung gerät. Wenn sie grüne Projekte mit dem Anspruch präsentiert, diese mehrheitsfähig zu machen.
Was für eine Rolle spielt das Charisma der Kandidaten bei der Wählerentscheidung?
Das kommt sehr auf die Personen an. Man kann natürlich keinen "Dödel" hinstellen. Was Wowereit aber zugutekommen wird, ist sein Erfahrungsvorsprung.
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