Der Papst: Der Vatikan brüskiert Protestanten
Die römische Glaubenskongregation erklärt, dass die Kirchen der Reformation eigentlich gar keine Kirchen seien.
BERLIN taz Sieben Jahre nach der umstrittenen Erklärung "Dominus Iesus" hat der Vatikan ein weiteres Dokument veröffentlicht, das es den protestantischen Kirchen abspricht, überhaupt Kirchen zu sein. In einem fünfseitigen Papier mit dem Titel "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche" schreibt die Glaubenskongregation in Rom, die Kirchen der Reformation "können nach katholischer Lehre nicht 'Kirchen' im eigentlichen Sinn genannt werden". Sie werden lediglich als "kirchliche Gemeinschaften" bezeichnet.
Nur wenige Tage nach der praktisch bedingungslosen Wiederzulassung der alten tridentinischen Messe in Latein unterstreicht das von Papst Benedikt XVI. genehmigte Schreiben erneut den konservativen Durchmarsch, der derzeit im Vatikan zu beobachten ist. War schon die fast uneingeschränkte Erlaubnis für die alte Messe unter anderem beim Zentralrat der Juden auf scharfe Kritik gestoßen (die taz berichtete), werden nun die Kirchen Luthers in ihrem Selbstverständnis frontal angegriffen. Der Vatikan verschärft damit die ökumenische Eiszeit, die vor sieben Jahren das Dokument "Dominus Iesus" verursacht hatte. Auch damals hatte Joseph Ratzinger, seinerzeit noch Chef der Glaubenskongregation, den Kirchen Luthers ihr Kirchesein abgesprochen - und dies nachher wortreich verteidigt. Dazu hat der Pontifex Maximus jetzt keine Möglichkeit und wohl auch kein Interesse daran, weil er am Sonntag einen dreiwöchigen Sommerurlaub in den Dolomiten angetreten hat.
Das aktuelle Schreiben, das vom neuen Vorsitzenden der Glaubenskongregation, William Kardinal Levada, unterschrieben wurde, argumentiert so: Den "Gemeinschaften, die aus der Reformation des 16. Jahrhundert hervorgegangen sind", stehe deshalb der Titel Kirche nicht zu, "weil diese Gemeinschaften nach katholischer Lehre die apostolische Sukzession im Weihesakrament nicht besitzen". Es fehle ihnen deshalb "ein wesentliches konstitutives Element des Kircheseins". Außerdem hätten sie "wegen des Fehlens des sakramentalen Priestertums die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt". Auf Deutsch: Zum einen sind bei den Kirchen der Reformation die Bischöfe nicht in einer ununterbrochenen Weihekette bis auf die Apostel zurückzuverfolgen. Zum anderen fehle ihnen das rechte Verständnis vom Abendmahl. Demgegenüber seien die orthodoxen Kirchen Osteuropas "Kirchen" im Sinne des Vatikan.
Mit bitteren Worten reagierte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, auf das Papier. Er nannte es "ökumenisch brüskierend". "Die Hoffnung auf einen Wandel der ökumenischen Situation" sei mit dem Schreiben aus Rom "erneut in die Ferne gerückt", erklärte er. Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" urteilte ebenso scharf: Das Schreiben sei ein "erneuter Schlag ins Gesicht der Ökumene".
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