■ Soll die PDS die Vereinigung von 1946 als Unrecht anerkennen ?: Der PDS stünde es gut an, sich zu entschuldigen
Der PDS stünde es gut zu Gesicht, sich für die von der stalinistischen Herrschaftsgruppe der SED gegenüber Sozialdemokraten, demokratischen Sozialisten, aber auch Kommunisten verübten Einschüchterungen, Drangsalierungen und Vergehen zu entschuldigen. Denn Verständigung – wie sie die PDS heute anstrebt – ist ohne Versöhnung nicht möglich.
Doch wichtiger noch als eine Entschuldigung ist die wahrhaftige Auseinandersetzung mit der Geschichte, zumal der eigenen. Das gilt für die Parteien, für die PDS als Nachfolgepartei der SED freilich besonders. Die PDS kann da auf Bemühungen verweisen, sollte aber die bestehenden Defizite nicht unter den Teppich kehren. Das gilt gerade auch für die Vereinigung von KPD und SPD. Kampfbegriffe lassen da zumeist die konkret historischen Kontexte und Ambivalenzen außer acht. Hier sind Historiker gefragt, Parteien können wissenschaftliche Diskurse nicht ersetzen. Aber eine Partei wie die PDS sollte ohne Wenn und Aber aussprechen, daß der kommunistische Monopolanspruch auf Wahrheit und Herrschaft im krassen Gegensatz stehen mußte zu einer demokratischen Vereinigung so ungleicher Arbeiterparteien, wie sie damals dennoch viele Sozialdemokraten und Kommunisten anstrebten. Die Wirklichkeit sollte das alsbald schmerzhaft bestätigen, zum Schaden einer demokratischen Linken und deutschen Republik.
Selbst in Zeiten des späteren Dialogs zwischen SED und SPD war der Begriff „Sozialdemokratismus“ nicht aus dem (Partei-)Verkehr gezogen und diente noch immer als Instrument zur Denunziation „Andersdenkender“ auch in der SED.
Gerade weil heute für die Bevölkerung Ostdeutschlands in ihrer Beurteilung von Parteien nicht mehr so sehr historische Legitimität, sondern politische Legitimation zählt, das heißt, wer Anwalt ihrer sozialen und demokratischen Interessen ist, bleibt die kontroverse Debatte um die Geschichte der SED so wichtig. Die PDS wird sich da weiterbewegen müssen, auch wenn das einen Teil ihrer Klientel schmerzt.
Reißig war maßgeblich an der Ausarbeitung des SED-SPD-Dialogpapiers von 1987 beteiligt.
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