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Archiv-Artikel

Der Off-Superstar

Carsten Pape, einst Postbote, Friedhofsgärtner, Punk – und beim Grand-Prix-Vorentscheid dabei: „Geiler Event für jeden Musiker“

von JAN FEDDERSEN

Ein Hit genügte, um ihm die besondere Wertschätzung der Gema einzubringen. Die Tantiemengesellschaft, die die Rechte von Komponisten und Liedtextern wahrnimmt und ihnen, wenn sie denn aus Ideen verkäufliche Produkte zu schaffen vermocht haben, Geld, gelegentlich viel Geld zukommen lässt, mag Carsten Pape, seit er 1986 die Zeilen für den Song „Ich liebe dich“ verfasste.

Eine schlichte Zeile, die schlichteste und beeindruckendste überhaupt in Liebesdingen. Der Song beginnt mit einem knapp einminütig gemurmelten Intro, gesprochen von Pape selbst: „Ausgerechnet mir muss das passieren / Wir haben 86, und ich altes Trottelgesicht hab mich verliebt / Ich sitz hier vor deinem dummen Foto / Und bemerk immer wieder, wie / Hübsch du eigentlich bist.“ Glaubwürdig klang nicht der Text allein, sondern – anders lässt sich der Nummer-eins-Hit nicht erklären – auch die Art des Vortrags: Als stünde da nicht einer und versuchte, eine gute Ware für den Tonträgermarkt zu produzieren – vielmehr klang es, als sei es eben überlegt und nicht im Tonstudio bis zur Phrasierung der letzten Note verfeinert.

Das machte ihn zum Bestseller. Als Frontmann von Clowns & Helden gab es Geld genug für Liveauftritte, aber erst die Tantiemen sichern stete Finanzzufuhr: „Die Gema bringt mir für ‚Ich liebe dich“ immer noch mehr als fast alle Grand-Prix-Lieder von heute.“

Pape, Jahrgang 1956, zählt seit „Ich liebe dich“ zur Crème de la crème des deutschsprachigen Poplyrikgewerbes. Nena griff auf einige seiner Texte zurück, Peter Maffay gleichfalls, auch Blümchen bestritt einen Teil ihrer inzwischen verwelkten Karriere mit Papes Textideen.

Er könnte zufrieden sein, Jahr für Jahr den Fluss der Gema-Zahlungen notieren – und ins allgemeine Wehklagen der Musikindustrie über die schlechte Konjunktur im Allgemeinen und die CD-Brennerei im Besonderen einstimmen. Macht er aber nicht („Das ist nicht mein Ding“), denn er kann nicht meckern. „Mach’s gut, du Arschloch“, eine CD im Stile eines deutschen Bukowski, hat er gemacht, neulich einen weiteren Tonträger unter dem Titel „Große Jungs weinen nicht“ veröffentlicht. Aber auf keinem berühmtem Label – und das heißt auch, ohne Promoabteilung, ohne Antichambrieren in den Redaktionen von MTV und Viva.

Pape, der nach der Schule als Briefträger und Friedhofsgärtner jobbte und unumwunden zugibt, in den besten Jahren des Punk, so Mitte der Siebzigerjahre, zur Hamburger Kampftrinkerszene gehört zu haben, hat sich selbstständig gemacht. Seine CDs vertreibt er in Eigenregie, auch das Management seiner Auftritte besorgt er selbst – „das nervt auch nicht weiter, weil ich so alles am besten steuern kann“.

Also bei Open Airs, beim Eröffnungskonzert des Hamburger Hafengeburtstags, auf kleineren oder größeren Bühnen (meist in Hamburg). Eine Art Wolfgang Petry ohne Kumpelattitüde – dafür mit etwas mehr Steppenwolfappeal. Viele Leute kennen ihn, kommen zu seinen Konzerten – „weil sie merken“, glaubt er, „dass ich mich auf jeder Bühne reinhänge, ob im Stadtpark vor sechstausend Menschen oder im Logo vor zweihundert“. Seine Street-Credibility ist sein Kapital – das zu mehren an die hundert Auftritte im Offenen Kanal Hamburg in der Magic Peter Ehrlich Show beitrugen.

Musiker, die sich selbst auf kleinsten Bühnen beweisen, sind für ihn ehrliche Arbeiter. Ein Job, der von Herzen kommen müsse, ohne Glamour zunächst, dafür mit umso mehr Echtheit. Pape singt, so sagt er, „nur von dem, was ich selbst mal gefühlt hab, was in meinem Leben wichtig war“. Auch der Song „Ich liebe dich“ sei aus der „Tiefe meines Arschs“ gekommen: „Ich hatte gerade Liebeskummer. Und als ich den Text schrieb, war mir, als würde ich ihr einen Brief schreiben.“

So einer wäre nie über die Vorrunde von „Deutschland sucht den Superstar“ hinausgekommen, allein schon seines ungestylten Äußeren wegen. Einer, der den Punk liebte und Auftritte in Festzelten als begehrte Herausforderung nimmt: ein Rocker, nichts sonst. Und so einer hätte doch nie beim Grand-Prix-Vorentscheid mitsingen sollen. Wie vor drei Jahren in Bremen (im Jahr Stefan Raabs), als Teil des Acts von Lotto King Karl. „Warum denn nicht? Zehn Millionen Leute vor dem Fernseher, das war doch gigantische Werbung.“

„Alles in allem“, so Pape, „hat uns die Show wunderbar gefallen. Sechster Platz mit „Fliegen“ – und einem mittleren Hitparadeneintrag samt Plattenumsätzen, die an die von Raab heranreichten: „Wir sind mit Würde aus der Show herausgegangen. Wir hatten unseren Spaß. Und das kann man nicht von allen sagen, die mit dabei waren. Die mussten, wir konnten.

Wegwerfware, kaum mehr. Wer kennt heute noch Claudia Cane, Marcel, Kind of Blue oder E-Rotic? „Wir hatten vor dem Grand-Prix-Vorentscheid unsere Auftritte, und hinterher waren wir erst recht im Geschäft.“ Pape ist davon überzeugt, auch den meisten der Teilnehmer aus „Deutschland sucht den Superstar“ drohe das Schicksal der No-Names in spe. „Die haben nie auf einer Bühne außerhalb der RTL-Studios gestanden. Die wissen nicht, dass gecasteter Ruhm sehr flüchtig ist.“ Und als letzte Bemerkung über diese bemerkenswert erfolgreiche „Superstar“-Show: „Jetzt haben sie ihren Spaß. Den kann ihnen keiner mehr nehmen.“

Nächster Auftritt mit Lotto King Karl: 25. April in der (schon fast ausverkauften) Hamburger Color Line Arena