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■ Der Mann des Tages: Die von Paris ungeliebte PlastikpuppeRomeo der Europäer (findet keine Freunde)

„Romeo der Europäer“ ist aufgeblasen. Er ragt 20 Meter hoch in die Pariser Luft. Sein Plastikkörper ist muskulös, türkisfarben und frei von sexuellen Attributen. Auf der Strecke zwischen Opéra und Concorde trifft er auf andere Mutanten aus Plastik und Metall: Schmetterlinge, Spinnen und einzelne weiße Flügel.

„C'est la fête à Paris“ hatte es am Abend geheißen. Als Dankeschön an die, die die WM über ihre Steuergelder finanzieren und in den nächsten Wochen die SchlachtenbummlerInnen ertragen dürfen, wollte das WM-Vorbereitungskomitee ein Volksfest bieten. Neben Romeo rollten „Moussa der Afrikaner“, „Ho der Asiat“ und „Pablo der Amerindianer“ aus verschiedenen Richtungen auf die Place de la Concorde.

200.000 kamen. Neben den üblichen Fußballschotten und FußballbrasilianerInnen sind Familien mit Kindern und Gruppen von Vorstadtjugendlichen unterwegs. „Vive le Maroc!“ schreien die einen. „Wer nicht mitsingt, ist kein Franzose“, die anderen. Alle warten auf ein Spektakel.

Romeos Durchrollen zerstört ihre Hoffnungen. „Die halten uns wohl für bekloppt“, sagt einer. „Das soll alles sein?“ wundert sich ein anderer. „Diese Plaste hat uns 50 Millionen gekostet“, ruft einer in die Menge. „Papa, wo ist die Fete“, will ein Mädchen wissen.

Niemand lacht. Niemand tanzt. Die Gesichter derjenigen, die Platzkarten für die Concorde haben, werden verbissen. Dichte Polizeiketten und Antiaufstandgitter versperren ihren Weg zu den Tribünen. Gegen 22 Uhr werden in dem Gedränge neue Sprechchöre laut: „Das ist unsere WM“, heißt es. „Und: „Alle zusammen auf die Concorde“.

Während die Giganten gegen Mitternacht ihre Luft ablassen, erlebt die französische Polizei noch vor Beginn der Spiele den ersten blutigen Abend dieser WM. Dorothea Hahn

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