Der Macher des Berliner Migrantenfußballs: Zu Hause in zwei Klubs
Fikret Ceylan war 25 Jahre das Herz von Türkiyemspor, dem wichtigsten deutschen Migrantenverein. Nun managt er den Konkurrenten BAK und hofft auf die Fusion der Clubs.
Fikret Ceylan ist ergriffen, seine dunklen Augen glänzen. "Das hier ist meine Familie, die ich jahrelang gebraucht habe", sagt er. Ausnehmend herzlich wird der 52-Jährige von den Fußballern von Türkiyemspor Berlin begrüßt. Nach und nach treffen sie zum Training auf dem Lichtenberger Sportplatz an der Kynaststraße ein. Und sie strahlen alle in dem Moment, wenn sie Ceylan erblicken. Seit mehr als 26 Jahren engagiert er sich für den Verein. "Manche nennen mich Mr. Türkiyemspor", sagt Ceylan.
Zuerst half der Gastronom als Sponsor aus, dann leitete er 16 Jahre lang als Manager die Geschicke des Vereins. Bis zum Juni diesen Jahres - da erklärte der neu gewählte Vorstand, man wolle künftig ohne ihn arbeiten.
Seither hat sich die finanzielle Lage beim sowieso stets klammen Klub dramatisch verschlechtert. Anfang vergangener Woche wusste keiner, ob es Türkiyemspor, den bekanntesten und erfolgreichsten Migrantenverein Deutschlands, auch Ende dieser Woche noch geben würde. Nur durch großzügige Verzichtserklärungen sowie die Spendenverpflichtungen treuer Freunde konnte man am Sonntag Entwarnung geben - vorläufig. Die Insolvenz wurde in letzter Minute abgewendet.
Nun soll ein Neuanfang gemacht werden. Auch deshalb ist Ceylan an diesem Abend nach Lichtenberg zum Tabellenletzten der Regionalliga gekommen. Er sagt: "Ich möchte den Spielern Mut zusprechen."
Ceylan selbst zählt zum Kreis der spendablen Retter. Künftig will er 1.000 Euro monatlich an den Verein überweisen. Dabei arbeitet "Mr. Türkiyemspor" inzwischen für die Konkurrenz: Er managt mit dem jüngst umbenannten Berliner Athletik Klub 07 den zweitgrößten Migrantenklub der Stadt - im Vereinsregister ist der BAK noch als Berlin Ankaraspor Kulübü eingetragen. Besonders pikant wird dieses Engagement durch den Umstand, dass der BAK als Tabellenführer der Oberliga gerade dabei ist, Türkiyemspor den Rang abzulaufen. Der Klub aus dem Wedding strebt in die Regionalliga, der Kreuzberger Verein wird vermutlich absteigen.
Möglich wurde diese Konstellation, weil von Türkiyemspor der Trainer, fünf Spieler und Finanzexpertin Anje Tiedemann Ceylan folgten und zum BAK wechselten. Für die sportliche Misere bei Türkiyemspor sieht sich Ceylan aber nicht verantwortlich: "Ich habe niemanden überredet, mitzukommen. Im Gegenteil. Es wollten noch fünf weitere Spieler von Türkiyemspor zum BAK wechseln. Denen habe ich abgesagt." Aber mit einer unverkennbaren Genugtuung sagt er nun in Richtung seiner Kritiker: "Jetzt merken die, dass ich doch gute Arbeit mache."
Ceylan ist zwar glücklich über seine Erfolge beim BAK. Wenn er aber von "wir" spricht, bezieht er sich in der Regel auf Türkiyemspor. Er befindet sich in einer grotesken Situation, die sich an der Trainingsstätte von Türkiyemspor besonders deutlich widerspiegelt: Im schmucklosen Flachbau, der neben dem Spielfeld steht, hat sich Ceylan auf einem Korbstuhl, der bequemsten Sitzgelegenheit, niedergelassen. Er wirkt hier wie der Patron des Vereins. Seine Leute scharen sich um ihn. Auf sein Geheiß wird Tee gereicht. Und der Gast auf dem Übungsgelände erklärt dem außenstehenden Journalisten: "Wir dürfen hier in Lichtenberg nur noch bis zum nächsten Jahr bleiben. Da es kein Flutlicht gibt, müssen wir im Winter wieder an verschiedenen Orten in der Stadt trainieren."
In den vergangenen Wochen, berichtet Ceylan, habe ihn sein Nachfolger bei Türkiyemspor und die Geschäftsstelle immer wieder telefonisch um Rat gefragt. Ärger mit dem BAK werde er deshalb nicht bekommen. "Ich habe denen von Anfang an gesagt, dass mein Herz für Türkiyemspor schlägt. Ich werde mich teilen." Ein Jahr habe er sich beim BAK verpflichtet. Es klingt, als sei er zum Militär eingezogen worden und sehne nun das Ende seiner Dienstzeit herbei.
An seiner Kompetenz hat auch bei Türkiyemspor niemand gezweifelt. Der für die Pressearbeit zuständige Robert Claus sagt: "Er kennt die Szene, hat eine gewisse Schlitzohrigkeit und einen guten Blick für talentierte Spieler." Er könne mit wenig Mitteln viel erreichen. Im Verein gab es jedoch einen Richtungsstreit. Vertreter aus der Jugendabteilung, die im Sommer an die Macht gelangt waren, vertraten die Ansicht, dass der Klub, der sich seit Jahren ohne nennenswerte Unterstützung aus Politik und Wirtschaft für die kostspielige Regionalliga verausgabt hatte, seine Kräfte mehr auf die Jugendarbeit konzentrieren sollte. Fikret Ceylan glaubt hingegen, dass Türkiyemspor seine Anziehungskraft auf die Jugend nur beibehält, wenn man ihnen mit einem guten Männerteam die Perspektive bieten kann, höherklassigen Fußball spielen zu können. Mit der dadurch automatisch größeren Medienpräsenz würden auch die sozialen Projekte, die in der Vergangenheit stark das Image des Vereins geprägt haben, mehr wahrgenommen werden. Mit seinem Engagement gegen Homophobie und für den Frauenfußball besetzt Türkiyemspor seit Jahren bewusst Themen, die in der türkischen Community im besonderen Maße als konfliktträchtig gelten.
Türkiyemspor mag noch so viele Integrationspreise zuerkannt bekommen, der fehlende Rasenplatz für Türkiyemspor offenbart: Die Integration von Türkiyemspor in der Stadt stößt an seine Grenzen. Die Vertreter aus der Jugendabteilung wollen ihre Energien nicht mehr unnötig vergeuden. "Das sind innovative Leute", sagt Harald Aumeier vom Förderverein Türkiyemspor. Im Klub herrsche aber ein grundsätzliches Problem vor. "Viele arbeiten mit großem Idealismus. Es fehlt aber die Anerkennung für das, was andere bislang geleistet haben." So verprelle man wichtige Mitarbeiter wie Ceylan. Der Verein benötige eigentlich die Hilfe von Mediatoren, um seine Konflikte zu bewältigen, findet Aumeier.
Ende kommender Woche wird bei Türkiyemspor ein neuer Vorstand gewählt. Es ist gut möglich, dass dann der Weg für Fikret Ceylans Rückkehr geebnet wird. Bei seinem Trainingsbesuch haben ihn fast alle Spieler bereits gefragt: "Kommst du wieder zurück?" Fikret Ceylan hat aber eine noch viel größere Vision. Er will die Fusion zwischen dem BAK und Türkiyemspor vorantreiben. Antje Tiedemann, die im großen Gefolge von Ceylan zum Weddinger Verein wechselte, sagt: "Der BAK ist doch jetzt schon ein Stück Türkiyemspor." Es ist ein alter Traum in der Stadt, und Ceylan glaubt, dass mittlerweile alle begriffen hätten, dass man die Kräfte bündeln und Eitelkeiten zurückstellen muss.
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