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Der Landwirt in der EG vor Unwägbarkeiten

Neue Agrarpreise nicht vor Ende April / Restriktive Preispolitik führt zu einer schrittweisen Herabsetzung der Stützpreise  ■  Aus Brüssel U. Schur

Mit dem Platzen der Preisrunde der EG-Agrarminister in Luxemburg stehen die Landwirte der zwölf Mitgliedsstaaten vor Unwägbarkeiten. Sicher ist, daß die Preise für die meisten Agrarprodukte wegen der hohen Vorjahresproduktion eingefroren und für Getreide um drei Prozent gesenkt werden. Doch wie die für die meisten Bauern erhebliche Einkommenseinbuße in erträglichen Grenzen gehalten werden kann, steht bis zur nächsten Preisdebatte Ende April noch in den Sternen. Schwer vorherzusehen, welche Kulturen oder Erzeugnisse mit existenzsichernden Gewinnspannen erzeugt werden können. In Luxemburg hatte ein komplexes Preispaket zur Debatte gestanden, dessen Annahme dann vor allem an Ausgleichszahlungen für die Getreidepreissenkung scheiterte.

Wie ernst die Lage für viele Landwirtschaftsbetriebe ist, kann am Umfang der bäuerlichen Massenaktionen ermessen werden, die in den vergangenen Wochen vor allem in den Niederlanden, der BRD und Belgien stattgefunden haben. Auch der Luxemburger Sitzungsmarathon der Agrarminister war von Protestdemonstrationen begleitet.

ei der Bildung eines einheitlichen EG-Marktes waren auch gemeinsame Agrarpreise eingeführt worden. Für rund 70 Prozent der Erzeugnisse wurde ein System geschaffen, das unter bestimmten Voraussetzungen den Absatz zu gestützten Preisen garantiert. Als sich unter diesen Bedingungen die Produktivität rapide entwickelte und eine erhebliche Überproduktion eintrat, wurde die EG-Agrarpolitik in den 80er Jahren neu orientiert. Eine Schlußfolgerung war, daß man von hohen Garantiepreisen für unbegrenzte Produktmengen abrückte und sich wieder mehr am Markt zu orientieren begann.

Eingeführt wurde eine restriktive Preispolitik, die zu einer schrittweisen Herabsetzung der Stützpreise für jene Erzeugnisse führte, die über die zahlungsfähige Nachfrage hinaus produziert werden. Die durchschnittlichen jährlichen Preissenkungen betrugen bereits zwischen 1983 und 1988 jährlich real 2,6 Prozent. Wenn also beispielsweise bei Getreide die Ernte eine festgelegte Obergrenze übersteigt, so wird schon im Folgejahr der Preis herabgesetzt. Der Kilopreis für Weizen sank in der BRD in den vergangenen acht Jahren von 53 auf 37 Pfennig.

Einem solchen Preisdruck sind viele der rund zehn Millionen Bauern in der EG kaum oder gar nicht mehr gewachsen, trotz einer Arbeitsproduktivität, die in der Regel beträchtlich über jener der DDR liegt. Jährlich müssen in der BRD rund 15.000 Bauern ihre Höfe aufgeben.

Madrid (adn) - Über 50.000 Viehzüchter aus der nordwestspanischen Region Galicien demonstrierten am Sonntag in der Regionalhauptstadt Santiago de Compostela gegen die sich verschärfende Krise in der Viehwirtschaft und die Agrarpolitik der EG.

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