: Der Kronprinz strebt nach Höherem
Innenminister Ralf Stegner will Landesvorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein werden und Spitzenkandidat bei der nächsten Wahl. Und für ein selbstbewusstes Profil seiner Partei sorgen: Der Kuschelkurs in der Großen Koalition geht zu Ende
von ESTHER GEIßLINGER
„Ich bin ein bisschen nervös“, sagt Ralf Stegner. Anzumerken ist dem Kieler Innenminister das nicht, als er bei der gestrigen Pressekonferenz erklärt, er wolle SPD-Vorsitzender in Schleswig-Holstein werden. Und seine Vizes hat der 46-jährige gleich mitgebracht. Mit Andreas Breitner, Bürgermeister von Rendsburg, und Bettina Hagedorn, Bundestagsabgeordnete aus Ostholstein, will Stegner ein Dreierteam bilden, das für eine „selbstbewusste, zukunftsgewandte SPD“ stehe.
Die drei wollen den Generationswechsel einleiten – Breitner ist 39, Hagedorn 50 – und die SPD nach der Schlappe um die missglückte Wahl von Heide Simonis wieder zur alten Stärke führen. „Wir machen ein personelles Angebot“, erklärt Stegner. Entscheiden müsse der Parteitag im März 2007. Den Segen des heutigen Vorsitzenden Claus Möller hat er zumindest: Die Kandidatur sei „ein gutes Signal“, Stegner stehe für „Kontinuität, die SPD als linke Volkspartei und soziale Gerechtigkeit“.
Überraschend kommt Stegners Auftritt nicht: Der 64-jährige Möller hatte früh erklärt, dass er nicht über 2007 hinaus im Amt bleiben würde. Im kommenden Jahr muss also seine Nachfolge geklärt werden und die gefühlte Auswahl ist nicht eben riesig. Die Polit-Auguren in Kiel raunen seit langem nur einen Namen: Stegner, der schon als Simonis’ Kronprinz galt, der heute Mitglied des SPD-Bundesvorstandes ist und der – immer wieder und immer wieder gern – durch klare Positionen landes- und bundespolitisch auffällt.
Gerade in jüngster Zeit haben sich seine Auftritte auf der großen Bühne unübersehbar gehäuft: Zuletzt stellte er sich bei den Tarif-Auseinandersetzungen zwischen den Ländern und ihren Bediensteten gegen den niedersächsischen Verhandlungsführer Hartmut Möllring (CDU), der damals schon unkte, Stegner wolle sich nur profilieren. Auch zum Einbürgerungstest meldete Stegner sich zu Wort und vor kurzem legte er in der Runde der Innenminister sein Konzept für die Integration vor.
Vielleicht ein Zufall, auf jeden Fall einer, der gut in den Zeitplan passt. Möller hatte angeregt, die Kandidatenfrage noch „vor der Sommerpause“ zu klären. Vorher kommt die SPD noch zu einem Sonderparteitag am 16. Juni zusammen. Und der wird keine Kuschelveranstaltung: Die Basis fühlt sich verraten von der Landesregierung, die den Kommunen 120 Millionen Euro weniger geben will als geplant. Damit, so fürchten Gemeindevertreter und Bürgermeister aller politischen Farben, gehe Städten und Dörfern komplett die Puste aus. Die Landesregierung habe ihr Wort gebrochen, lautet der Vorwurf. Stegner, der Innenminister, wird nicht mit Jubel empfangen werden. Aber er ist keiner, der kneift: „Politik mit offenem Visier“ ist seine Parole. „Bei mir kriegt man, was man sieht.“ Dazu gehörten „Streitkultur“, aber auch Ehrlichkeit und vernünftige Argumente.
Auch als Landesvorsitzender werde er in der Großen Koalition absolut vertragstreu sein, verspricht Stegner. Doch gehe es darum, der SPD ein klares Profil zu geben: „Dass mein Beliebtheitsgrad bei der CDU-Basis niedrig ist, trage ich mit Demut, aber es raubt mir nicht den Schlaf.“
Für die Christdemokraten und ihren Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen wäre ein Vorsitzender Stegner nicht gerade angenehm, meint Jürgen Koppelin, Landesvorsitzender der FDP: Das wäre das „Ende der Kuschelkoalition“. Dafür sprechen auch die Themen, die Stegner gestern als wichtige Punkte nannte, darunter Bildungspolitik, Integration, Bürgergesellschaft – Themen, bei denen es zwischen den Koalitionspartnern krachen kann.
Stegner lässt denn auch keine Zweifel am Ziel: „Die SPD soll die stärkste politische Kraft werden“, erst bei der Kommunal-, dann bei der Europa- und schließlich bei der Landtagswahl. Ob dann auch der SPD-Spitzenkandidat Stegner heißen könnte, ließ er gestern noch ein kleines bisschen offen: „Dass der Vorstand eine wichtige Rolle spielt und dass der Vorstand sich nicht drückt, will ich nicht verhehlen. Aber am Ende entscheidet die Partei.“ Und die, das hatte Stegner vorher bereits festgestellt, „pflegt weise zu entscheiden“.