: Der Konflikt wird militärisch ausgetragen
Die „Endoffensive“ der FMLN vom Januar 1981 markierte den Beginn eines Krieges, der die stärkste und anpassungsfähigste Guerillabewegung des Kontinents hervorbringen sollte. Das Ziel, noch vor der Amtsübernahme Ronald Reagans einen Volksaufstand auszulösen und die USA vor die vollendete Tatsache einer weiteren Revolution in Zentralamerika zu stellen, wurde damals verfehlt. Den USA gelang es zunächst, eine scheindemokratische Fassade im dem zentralamerikanischen Land zu errichten und die Guerilla politisch wie militärisch in die Defensive zu drängen.
Die FMLN-Guerilla konnte nicht verhindern, daß nacheinander eine verfassunggebende Nationalversammlung, ein Präsident und Gemeindevertretungen gewählt wurden. Träger des Projekts waren die Christdemokraten unter Napoleon Duarte, die für ein Projekt gemäßigter Reformen kombiniert mit militärischer Repression die internationale Legitimität erzielen konnten. Gleichzeitig gelang es der Guerilla jedoch, mehrere Zonen im Norden und Osten des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen und von dort aus immer wieder die wichtigsten Militärbasen zu attackieren.
Parallel zu den militärischen Aktionen lancierte die Guerilla immer wieder Verhandlungsangebote, die nach der Wahl Duartes im Jahre 1984 erstmals auf Widerhall stießen. Zwischen Oktober 1984 und Oktober 1987 fanden drei Dialogrunden statt. Keine brachte jedoch greifbare Ergebnisse. Der Konflikt wurde in erster Linie militärisch ausgetragen. Durch den Ausbau der Luftwaffe ab 1983 konnte die Regierung mit Hilfe der USA die militärische Initiative für die Armee zurückerobern; Luftwaffenchef General Bustillo wurde zum mächtigsten Mann des Landes. Die FMLN mußte sich dieser neuen Situation anpassen und ihre stehenden Bataillone in kleine Gruppen auflösen, die aus der Luft nicht so leicht entdeckt werden konnten. Tretminen und hausgemachte Bomben wurden zu den wichtigsten Waffen der Guerilla gegen eine hochgerüstete Armee.
Jahrelang herrschte ein militärisches Patt. Zwar konnten die Streitkräfte keine strategischen Erfolge gegen die Rebellen verbuchen, aber es gelang auch der FMLN nicht, ihre Einflußzonen nennenswert auszuweiten. Ab 1987 versuchte die Armee dann, die Guerilla Zone für Zone zu zerschlagen. Unter Einsatz fast aller verfügbaren Spezialtruppen vertrieben die Regierungstruppen in der „Operation Phönix“ die sogenannten „masas“, die mit der Guerilla sympathisierende Zivilbevölkerung, die für die Ernährung und die Logistik der Kämpfer unentbehrlich ist. Aber schon die folgende Armeeoffensive in der Nordostprovinz Morazan war ein Fehlschlag. Der Guerilla gelang es hingegen, die strategische Initiative wieder an sich zu reißen. Seit September 1988 ist es die FMLN, die den Rhythmus bestimmt. Die Armee wurde in eine Defensivstrategie gedrängt, die es ihr nicht mehr erlaubt, Vernichtungsschläge gegen die FMLN zu planen. Sie muß sich vielmehr auf Schadensbegrenzung konzentrieren und versuchen, den Guerilla-Attacken standzuhalten.
Mit der christdemokratischen Politik einer schrittweisen politischen Öffnung und der Verschärfung der Wirtschaftskrise ab 1986 erlebte die Gewerkschafts- und Massenbewegung in San Salvador einen neuen Aufschwung. Diese wurde in dem Maße Ziel brutaler Repressalien, als die Militärs sich einer erstarkenden Stadtguerilla machtlos gegenüber sahen.
Seitdem die rechtsextreme „Arena“ an der Regierung ist, hat die FMLN einen Gegner, der die wirtschaftliche und militärische Macht deutlicher repräsentiert, als es der Christdemokrat Duarte vor ihr getan hatte. Deswegen unterbreitete das FMLN-Oberkommando Cristianis Delegation bei einem ersten Treffen, das im September 1989 in Mexiko stattfand, einen Plan, der ab 15. November einen Waffenstillstand und ab Januar die Umwandlung der FMLN in eine politische Partei vorsah. Wichtigste Bedingungen waren die Säuberung und Reduzierung der Armee und die Einstellung der Repression gegen die Volksorganisationen. Eine zweite Verhandlungsrunde vor einem Monat in Costa Rica zeigte, daß die Regierung für eine Waffenruhe keinerlei politischen Preis zahlen wollte und für die Eingliederung der FMLN „in den demokratischen Prozeß“ lediglich eine Amnestie für die Guerilleros anbot.
Statt sich also auf ein Zivilleben unter den Spielregeln der Oligarchie vorzubereiten, begann die FMLN daraufhin, ihre Fronten zu stärken, und machte mit einer Serie von Attacken auf militärische Ziele Druck. Einmal mehr rächten sich die Militärs an den Volksbewegungen, die sie allesamt als Frontorganisationen der FMLN abqualifizierten. Mit einem Terroranschlag auf das Lokal des Gewerkschaftsdachverbandes „Fenastras“ am 1. November setzten die von der Armee kontrollierten Todesschwadronen neue Maßstäbe: Zehn Aktivisten, darunter die bekannte Gewerkschaftsführerin Febe Elisabeth Velasquez, wurden von einer Bombe buchstäblich in Stücke gerissen. Die FMLN sagte daraufhin ihre Teilnahme an der für nächste Woche in der venezolanischen Hauptstadt Caracas angesetzten Dialogrunde ab.
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