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Der König von Dortmund

■ Borussen–Stürmer Frank Mill als Einzelkämpfer: mit Vorstoppern, dem Trainer, dem Vorstand / Vor der Presse hüpft er aus dem Fenster

Von Willi Mossop

Es gibt sie doch noch, die sogenannten Spielerpersönlichkeiten; Fußballer, die diesseits und jenseits des grünen Rasens etwas zu sagen haben. Frank Mill, der quirlige Mannschaftskapitän von Borussia Dortmund, ist so einer. „Sicher, ich bin kein einfacher Spieler“, sagt er von sich, denn er will den „schnellen Erfolg“. Erfolg wie in der letzten Saison, als sich der Fast–Absteiger mit Neuzugang Frank Mill für den UEFA– Cup qualifizierte. Mit seinen Toren in diesem europäischen Wettbewerb schoß er den BVB - Schuldenlast 1984 satte 4,5 Millionen - zu ansehnlichem Wohlstand. Logisch, daß die Leser einer lokalen Tageszeitung Frank Mill wieder zu Dortmunds „Sportler des Jahres“ wählten. In der Bundesliga krebst „Frankie“ (so die Fans) mit seinen vom Europapokal geschlauchten schwarz–gelben Kameraden dieses Jahr nur in der Grauzone herum. Nicht zu akzeptieren für einen wie Mill, der „nicht in der Mittelmäßigkeit versinken“ will. Zuerst legte er sich mit den anderen Großverdienern in der Mannschaft an, dann forderte er vom Trainer Umstellungen im Spielsystem und vom Vorstand personelle Verstärkungen. Die Änderungen in der Mannschaft sind mittlerweile gemäß den Wünschen Mills vollzogen, und mit Andreas Möller holte das Präsidium für 2,4 Millionen den Mann, der „Frankie“ die nötigen Vorlagen geben soll. Als er aber nach der soundsovielten Heimniederlage mal wieder in aller Öffentlichkeit am Trainer herummäkelte, rief Trainer Saftig seinen Präsidenten zur Hilfe, und „der selbsternannte Pressesprecher“ (Saftig über Mill) mußte noch am selben Abend per Telefonrundruf seine kritischen Äußerungen zurücknehmen. Zudem hängte Präsident Niembaum seinem aufmüpfigen Angstellten einen Maulkorb um. Nach Mitspielern, Trainer und Vorstand hat Mill nun die Presse als Schuldigen der BVB–Misere ausgemacht. Vor dem Auswärtsspiel in Homburg beschlossen die Borussen–Spieler einen Boykott gegen die Blätter, von denen sich der Mannschaftskapitän zu Unrecht kritisiert fühlte. Anschließend zeigte Mill seine bislang beste Saisonleistung: Bei der Flucht vor den Journalisten sprang er mit einer gekonnten Hockwende aus dem saarländischen Kabinenfenster. Ungetrübt ist Mills Zusammenspiel nur mit dem zur Betreuung der Borussia abgestellten Vertreter einer auflagenstarken Boulevardzeitung, der dem Stürmer auch nach schwächeren Auftritten eine länderspielreife Leistung attestiert. Dessen Kampagne zeigte Erfolg: Am Dienstag berief Teamchef Beckenbauer seinen Ehemaligen, den er vor der WM 1986 ausbootete, in den Kreis der Elitekicker für das österliche Turnier in Berlin. Obwohl beim Teamchef die Youngster Frank Neubarth und Jürgen Klinsmann die besseren Karten zu haben scheinen, gibt sich der „König von Dortmund“ auch gegenüber dem „Kaiser“ selbstbewußt: „Im Moment kann er an mir nicht vorbei.“ In Dortmund kam bislang keiner an dem Herrn von der schon angesprochenen Zeitung vorbei. In seiner 15jährigen Schaffensperiode mit heißem Draht zum Vorstand beließ er keinen Trainer länger als zwei Jahre im Amt. In dieser Saison machte der Mann seine Schlagzeilen ohne den Vorstand: Erst entließ er in seinem Blatt wiederholt Jung–Trainer Reinhard Saftig, dann inszenierte er einen „Krieg der Spielmacher“ und bescheinigte dem Präsidium „Größenwahn“. Letzte Woche platzte Dr.Niebaum der Kragen. Mit dem kompletten BVB–Vorstand reiste er in die Bild–Hauptstadt, um sich gegen die Praktiken dieses Herrn zu verwahren. Der Herr von Bild hält sich derweil an seinen Ansprechpartner. Nach Spielende nimmt er seinen „Frankie“, den er Sekunden vorher im Kollegenkreis noch als „arrogantes Arschloch“ tituliert hat, vertrauensvoll in den Arm und flüstert ihm ins Ort: „Sag mal, Frankie, wie gehts jetzt weiter?“ Wie es weitergehen soll, weiß „Frankie“ im Moment auch nicht so genau. Im Abstiegskampf fühlt sich der kettenrauchende Egoist, wie ihn Ex–Kollege Ewald Lienen charakterisierte, auf jeden Fall gar nicht wohl. An einem lukrativen Wechsel nach Italien wäre Frank Mill „nicht uninteressiert“, obwohl der Meister im Verhandlungspoker erst kürzlich bis 1991 beim BVB verlängerte. Nein, pflegeleicht ist dieser Frank Mill nicht. Auch nicht für einen, der kritische Geister mag. Aber sollte nach dem feststehenden Abgang von Olaf Thon der „Kohlenpott“ auch seinen zweiten überragenden Fußballer verlieren? Der Ruf sei einem überzeugten Ruhrgebietler und Freund von begnadeten Kickern verziehen: „Frankie, Du darfst nicht gehen!“

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