: Der Killer und das Kind
■ „Léon – Der Profi“ menschelt beim Töten von Menschen
Um es gleich vorwegzunehmen: Léon – Der Profi ist kein Gary-Oldman-Film. Es hätte einer werden können, denn Gary Oldman brennt als psychopathischer Cop lichterloh. Er schnuppert lüstern an seinen Opfern, um dann wild um sich zu ballern, tötet lässig im Vorübergehen und läßt sich mit Beethoven und anderen Drogen zu immer neuen Scheußlichkeiten inspirieren.
So weit, so gut. Doch Luc Besson hatte bei seinem neuen Film jemand anderen im Sinn, nämlich seinen Landsmann Jean Reno, dessen zerfurchtes Gesicht er schon in Nikita und Im Rausch der Tiefe erkundete. Jean Reno ist Léon, ein einsamer und melancholischer Berufskiller, der seine Tage mit Milchtrinken, dem liebevollen Gießen seiner Topfpflanze und dem Starren auf Wände zubringt. Aus dieser Isolation, als Analphabet und nur radebrechender Ausländer noch vertieft, reißt ihn Mathilda (Natalie Portman) heraus, ein frühreifes zwölfjähriges Mädchen, dessen Familie wegen Daddys Drogengeschäften von Cop Gary niedergemäht wird.
Es kommt, wie es kommen mußte – Mathilda überredet den passiven Léon, sie in der Kunst des professionellen Tötens zu unterrichten. Aus der anfänglichen Zweckgemeinschaft entwickelt sich eine Freundschaft. Doch genau darin liegt sein Problem: Ein Berufskiller, der Mensch wird, Anteil nimmt und fühlt, ist nicht mehr unverwundbar. So wird er zur Zielscheibe seiner Gegner.
Besson setzt damit einen Schlußstrich unter die Flut der „Ich töte, also bin ich“-Filme, die jüngst im Kino Furore machten. Im Unterschied etwa zu Oliver Stones Natural Born Killers geht Bessons Story nicht im Endzeitspektakel einer verlorenen Generation oder bloßem Zynismus auf. Trotz aller Härte und einem an Gewalt und Pyrotechnik kaum zu überbietenden Showdown gelingt es Besson, seinen Charakteren das Individuelle zu lassen, sie aus dem Automatismus ihrer Schnellfeuergewehre zu befreien.
Gleichzeitig werden Léon und Mathilda – und dies ist das Herausragende des Films – nicht an eine Sozialstudie über menschliches Leid verraten. Léon – Der Profi ist ein durch und durch europäischer Film, der von einer Menschwerdung innerhalb der Ausweglosigkeit erzählt. Ein Killer verblutet für die Liebe eines Kindes.
Rieke Nolte
Neues Cinema, Studio
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