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■ Der Kampf der Frauenbewegung um gesetzlich sanktionierte Gleichstellung kommt in seine kritische PhaseWo die Quote erfüllt ist, beginnt demokratische Geschlechterpolitik

Antidiskriminierung und Gleichstellungspolitik sind in der Bundesrepublik erst spät und zaghaft gegen Ende der achtziger Jahre in Gang gekommen. Bevor sie in ihre eigentliche Erprobungsphase kommen, droht heute schon ihr Ende. Die Frauenbewegung hierzulande war stets eher antistaatlich geprägt, erst mit der Institutionalisierung ihrer Projekte und dem Aufstieg der Grünen relativierte sich das. Dadurch wurde der gesamte Prozeß der politischen und gesetzlichen Frauenförderung forciert. Kaum verknüpfen Frauen aber Antidiskriminierung und Gleichstellung mit der Hoffnung auf tatsächliche Gleichheit, stoßen sie an Grenzen.

Doch wenn Gleichheit immer nur nach des Mannes Art buchstabiert wird, gerät sie in Verruf. Viele Frauen distanzieren sich dann doch lieber und ziehen sich auf „Differenz“ und „Andersartigkeit“ zurück. Ein weiteres Mal schließlich könnte eine politisch gewollte Reform zugunsten von Frauen durch konservative Rechtsprechung zunichte oder belanglos gemacht werden. Sollten sich die negativen Konnotationen von Gleichstellungspolitik durchsetzen, wäre eine große Chance zunichte gemacht, andere Kriterien als die der von jeder sozialen Eingebundenheit befreiten „Marktfähigkeit“ durchzusetzen. Frauen dürften – nur das bliebe von ihrer Bewegung – dazugehören, wenn sie diese Regel zur Grundlage ihres Handelns machen.

Antidiskriminierung und Gleichstellungspolitik, zwei unterschiedliche Varianten einer aktiven Politik zugunsten von Frauen, richteten sich in ihrem Ursprung darauf, die direkte und indirekte Diskriminierung von Frauen aufzuheben und die Geschlechterverhältnisse im Öffentlichen und Privaten grundlegend umzugestalten. Positive Diskriminierung und Quoten sind dabei als Instrument zur Aushebelung patriarchaler Strukturen und als demokratischer Selbstzweck zur ausgleichenden Gerechtigkeit gedacht. Leistungskriterien werden keineswegs ausgeschaltet. Sie sollen jedoch nicht nur nach Männerart definiert werden, sondern „gleichwertige“ Qualifikation oder neue Kriterien, zum Beispiel soziale Kompetenz, einschließen.

Antidiskriminierung und Gleichstellung sind eine Politik und Strategie, das Emanzipationsverlangen der Frauen und ihren Anspruch auf Selbstbestimmung in konkrete gesellschaftliche Verhältnisse zu übersetzen. Sie sind als solche Demokratie- und Gerechtigkeitspolitik. Sie zielen auf einen Prozeß der Neubestimmung von Normen, Regeln, Rechten, Werten und Strukturen, die jeweils geronnene Lebensmöglichkeit und Machtverhältnisse zum Ausdruck bringen. Sie haben nur Sinn, wenn Frauen die Akteurinnen der Veränderung sind, nicht als bürokratische Verordnung.

Schon bald nach den ersten Fördermaßnahmen in Parteien oder Organisationen und den ersten Gesetzen wurden die Grenzen bisheriger Konzepte dieser Politik sichtbar. Mit ihren Bestimmungen zur Quotierung, Stellenausschreibung, Beförderung, Ausbildung, Arbeitszeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Repräsentanz in Gremien oder gegen sexuelle Diskriminierung zielte sie vor allem und zu Recht auf den Zugang der Frauen zur patriarchalen Domäne des Öffentlichen. Sie bestätigte so aber unterderhand ungewollt die Nachrangigkeit der komplementär dazugehörenden Unterseite des „Privaten“. Die Loslösung des einen vom anderen reduzierte die ganze Antidiskriminierungspolitik quantitativ und qualitativ. So kreist diese Politik bislang vor allem um die Frau, während beim Mann, dessen gesellschaftliche Rolle doch Kern des Problems ist, alles unverändert bleibt. Die Frau wird zu neuer Anpassung und Doppelbelastung veranlaßt. Gleichstellungspolitik greift bislang nicht im Bereich des „Privaten“, obwohl dessen Konstruktion konstitutiv für die patriarchale Gesellschaft ist. Die Frau bleibt zuständig für unbezahlte Reproduktionsarbeit und alles „Soziale“. Der Umbau der Arbeit wird auf die Flexibilisierung der Berufsarbeit zuvorderst für die Frau verkürzt, anstatt männliche Erwerbsnormen und Hausarbeit mit hineinzunehmen. Die sozialen Kosten des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kreislaufes von Produktion und Reproduktion werden nicht einberechnet. Die Abschaffung indirekter Lohndiskriminierung und die gerechte Neuverteilung von Geld bleiben ausgeschlossen. Diese Politik berücksichtigt auch nicht ungleiche Chancen zwischen Frauen (und Männern) nach Schicht oder Hautfarbe. Auch die Neugestaltung des auf dem Ausschluß der Frauen aufgebauten politischen Systems wird allenfalls halbiert.

So kann passieren, daß am Ende nur Modernisierungstrends bestätigt und neue Spaltungsmechanismen bedient werden. Als Teilzeiterwerbstätige sind Frauen die Gewinnerinnen, sie feminisieren die „niedrige“ Berufsarbeit und nebenher bleibt es bei Mutterschaft, unbezahlter Sorgearbeit und relativer Machtlosigkeit. Als Vollzeiterwerbstätige sind die „schwächeren“ Männer die Verlierer, während die herrschenden Normen weiter vom starken Mann bestimmt werden. Wenn die Frau Erfolg haben will, muß sie es machen wie er. Sie belebt dann funktional das Geschäft der Konkurrenz und erneuert einmal mehr Herrschaft.

Die Sache wird grundsätzlich dadurch erschwert, daß die bisherigen Gleichstellungsgesetze in Bund und Ländern noch hinter den unzureichenden politischen Konzepten zurückbleiben. Sie gelten nur für den öffentlichen Dienst und erst in dem Moment, in dem seine Bedeutung schwindet. Sie gelten nicht für die weit einflußreichere private Wirtschaft. In ihren Genuß kommen immer nur bereits Erwerbstätige und nicht Erwerbslose. Sie sind konstruiert auf Zuwachs und versagen, wenn es um die Verteilung des Mangels oder gar Abbau geht. Die Gleichstellungspolitik ist rechtlich bis heute wenig verbindlich und erschöpft sich häufig im Empfehlungscharakter ohne feste Zielvorgaben und wirksame Sanktionen. Sie reduziert sich auf formale Gleichstellung und wird von inhaltlichen Neuorientierungen weitgehend abgekoppelt. Noch das Wenige an vorhandener Frauenförderung scheint am Ende zuviel. Sie wird umgemünzt in eine Stigmatisierung („Schutzzone“, „Quotilde“) der Frau, die es ja nötig haben muß. Die bisherige Gleichstellungspolitik fällt auch deshalb so dürftig aus, weil sie mit dem politischen Paradigmenwechsel im Zuge der deutschen Einheit längst wieder als nachrangige Sache gilt. Mit anhaltender ökonomischer Krise verengen sich ihre Spielräume fortlaufend.

Alle AkteurInnen von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungspolitik haben an Tatkraft verloren. Grüne und SPD, selbst ein Stück weit gesättigt, sind mittlerweile ermüdet oder ratlos. Die frauenbewegte Öffentlichkeit und Lobby hat oft eine seltsam gleichgültige Haltung. Neue Bewegung von unten ist nicht absehbar. Junge Frauen sind überzeugt, sie schaffen es auch ohne die „Krücke“ der Gleichstellungspolitik.

In dieser Situation werden vor dem Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr die Klagen „betroffener“ Männer verhandelt, die unter Berufung auf nicht weniger als das grundgesetzliche Gebot zur Gleichberechtigung die Bevorzugung einer Frau bei gleicher Qualifikation verhindern wollen. Mühsam hatten sich die Parteien zwar auf eine Grundgesetzänderung verständigt, nach der der Staat verpflichtet ist, tatsächliche Gleichberechtigung herzustellen. Doch eine Kompensationsklausel, das heißt explizite Bevorzugung der Frau zwecks Korrektur der historisch angehäuften Rückstände, wurde abgelehnt. Die ins Haus stehende EG-Rechtsprechung, munkelt man, verheißt nichts Gutes. Und aus den USA weht ebenfalls Gegenwind.

Antidiskriminierung und Gleichstellung können nur verteidigt werden, indem sie zu einer demokratischen Geschlechterpolitik fortgeschrieben werden. Diese muß auch die Seite der Männer und des Privaten, die patriarchalen Normen der Erwerbsarbeit, die Unterbewertung und Männerlosigkeit der Familienarbeit, ändern. Positive Diskriminierung muß auch für den Mann in neuen Rollen gelten und den Umbau privater und öffentlicher Lebenswelten für beide Geschlechter forcieren. Auch die Wirtschaft muß zur Veränderung veranlaßt werden, muß sich Auflagen für Diskriminierungsverbote, Mitbestimmungsrechte und Quoten gefallen lassen. Sie muß als Verbraucher sozialer Ressourcen auch die Kosten dafür bezahlen. Dabei helfen Anreize sicher mehr als dennoch manchmal unvermeidliche Verbote. Gleichstellungspolitik ist ein umfassender Prozeß demokratischer Umgestaltung der Geschlechter- und Gesellschaftsverhältnisse mit dem Ziel, gleiches Recht für Verschiedene zu schaffen. Mechtild Jansen

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