: Der Hase ist kein Wiederkäuer
betr.: „Die katholische Kirche erpresst Schwule und Lesben“, taz vom 10. 8. 02
Die katholische Kirche in Deutschland muss sich entscheiden: Sie kann sich darauf besinnen, als zivilgesellschaftliche Kraft die Botschaft des christlichen Glaubens in diese Gesellschaft einzubringen. Oder sie kann sich in die Isolation einer Sekte begeben, die den Glauben nicht in die Gesellschaft hineinträgt, sondern ihn im Gegenteil von ihr abschirmt. Beides gleichzeitig geht nicht.
Wenn die Kirche sich auf den ersten Weg begibt, muss sie das, was sie der Gesellschaft zu sagen hat, auf eine seriöse theologische Grundlage stellen. Tut sie dies, kann sie nicht die Diskriminierung von Homosexuellen propagieren, sondern muss vielmehr für ein Ende ihrer Diskriminierung kämpfen. Nur wer die Bibel fundamentalistisch liest, kann aus ihr eine Verurteilung von Schwulen und Lesben herleiten. Wer dies tut, müsste aber zum Beispiel auch behaupten, der Hase sei ein Wiederkäuer.
Eine philosopisch verantwortete biblische Sozialethik kommt zu einem anderen Ergebnis: Die Gottesebenbildlichkeit jeder und jedes Einzelnen begründet seine und ihre Menschenwürde. Daher ist biblisch nicht nur das gesellschaftspolitische Ziel der Gleichberechtigung von Mann und Frau, sondern auch der Abbau jeglicher Diskriminierung von Minderheiten wie Schwulen und Lesben sozialethisch geboten.
Niemand will der katholischen Kirche das Sakrament der Ehe wegnehmen. Die Ehe steht zu Recht unter dem besonderen Schutz des Staates. Die Eingetragene Lebenspartnerschaft aber richtet sich an eine völlig andere Zielgruppe, nämlich an die, die von ihrer Veranlagung her gar keine im Sinne der katholischen Kirche gültige Ehe zwischen Mann und Frau schließen können.
Wenn sie nun endlich die gleichen Rechte bekommen wie Heterosexuelle, ist das ein weiterer wichtiger Schritt zur Beseitigung von Unrecht, den die christlichen Kirchen begrüßen müssten. Dies nicht getan zu haben, war schon schlimm genug. Nun aber die Diskriminierung eigener homosexueller Mitarbeiter durch die Drohung von Kündigungen sogar zu verschärfen, ist inakzeptabel. Die Gläubigen sollten ihrer Kirche dies nicht durchgehen lassen. JONAS CHRISTOPHER HÖPKEN,
katholischer Dipl.-Theologe, Oldenburg
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