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Archiv-Artikel

Der Front National ist weiter auf dem Vormarsch

FRANKREICH Überraschend starkes Abschneiden der Rechtsextremen bei einer Nachwahl in der Provinz

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Bei einer Nachwahl in Villeneuve-sur-Lot im Südwesten gewann am Sonntag im zweiten Durchgang der Vertreter der bürgerlichen UMP mit 53,7 Prozent der Stimmen gegen den Konkurrenten vom rechtsextremen FN, der auf 46,3 Prozent kam. Das wäre an sich keine Überraschung, wenn es sich nicht um eine bisherige Wahlhochburg der Sozialisten und den Wahlkreis des Haushaltsministers Jérôme Cahuzac handelte. Dieser musste wegen eines verheimlichten Bankkontos und seiner öffentlichen Lügen schließlich zurücktreten. Er hat, wie die Testwahl in Villeneuve-sur-Lot nun belegt, seinem politischen Lager nachhaltig geschadet. Der sozialistische Kandidat konnte sich eine Woche zuvor nicht einmal für die Stichwahl qualifizieren.

Die klare Stimmenmehrheit zugunsten der UMP kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei diesem lokalen Urnengang der Front National von Marine Le Pen einen geradezu spektakulären Erfolg erzielt hat. Die eigentliche Schlappe hatte ja ohnehin die gegnerische Linke eingesteckt, die einen weiteren Abgeordnetensitz in der Nationalversammlung verliert. Es ist für die Sozialisten (PS) bereits der achte Verlust in acht Nachwahlen seit einem Jahr, und die absolute Mehrheit der Regierungspartei schmilzt damit auf zwei Stimmen in der Großen Kammer.

Viele einstige Sympathisanten der Linken sind nach der Cahuzac-Affäre so sehr von der Politik angewidert, dass es ihnen schlicht egal war, wer diesen Sitz gewinnt, und sie daher in hoher Zahl ungültig abstimmten. Für eine wachsende Zahl der Wähler in Frankreich scheint indes der FN gegenüber den Regierungsparteien UMP oder PS die einzige Opposition zu sein. Der Anteil der potenziellen FN-Wähler steigt, denn für immer mehr Franzosen ist es kein Tabu mehr, für die Partei von Marine Le Pen zu stimmen. Die Zeitung Les Dernières Nouvelles d’Alsace erklärt die Hintergründe: „Der FN streicht den Gewinn aus der wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Krise ein.“ Selten sah man so zufrieden lachende Verlierer wie in Villeneuve-sur-Lot. Der FN verfügt wegen der Mehrheitswahl, die Minderheitsparteien wenig Chancen auf Sitzgewinne einräumt, in der Nationalversammlung bislang aber nur über 2 von 577 Mandaten.