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■ Der Fall Wilheln von SchmelingLieber auf Nummer Sicher

Die letzten Wochen der Gedenkvorbereitungen zum 8. Mai haben es noch einmal überdeutlich vor Augen geführt, daß die Unbelehrbaren nicht ausgestorben sind. Der Ex-Wehrmachtleutnant Lehnigk- Emden, dessen Massaker an 22 italienischen Bauern 1943 vor zwei Monaten vom Bundesgerichtshof für verjährt erklärt wurde, hat bis heute kein Wort des Bedauerns gefunden. Und der Ehrenvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alfred Dregger, den man politisch längst abgelebt meinte, hatte auf einmal wieder einen ausgefüllten Terminkalender und durfte sich in zahllosen Interviews über die Leiden der deutschen Soldaten verbreiten, über die Unschuld der Wehrmacht an Hitlers Verbrechen, über Manneszucht und Disziplin der Truppe.

In dieser Situation sollte man sich freuen, wenn jemand auftaucht, der sein „Ich war dabei“ mit gesenktem Kopf bekennt, statt sich in die Brust zu werfen. Wilhelm von Schmeling, 71jähriger Landtagskandidat von Bündnis 90/Die Grünen in Oberhausen, ist allem Anschein nach so einer: 1944 leitete er als 21jähriger Leutnant in Marseille eine standrechtliche Erschießung. Er sei kein Held, sagt er heute, habe zwar protestiert, aber dann doch gemacht, was ihm befohlen wurde, weil er Angst um sein eigenes Leben hatte – ob zu Recht oder zu Unrecht, das kann heute nicht einmal ein gewöhnlich nicht urteilsscheuer Experte wie der Militärhistoriker Manfred Messerschmidt entscheiden.

Es spricht auf jeden Fall einiges dafür, daß der Tod des jungen Spaniers den Ex-Leutnant von Schmeling veränderte. Er engagiert sich heute für Flüchtlinge und in Ostermärschen. Und er bekennt sich zu seiner Schuld.

Warum also muß der Mann weg – und zwar sofort, wie Jürgen Trittin der Sprecher des grünen Vorstands fordert? Schmelings Schuld bleibt, die Toten werden nicht mehr lebendig, aber: Wäre er nicht vielmehr ein Beispiel dafür, wie man auch anders mit Kriegserfahrungen umgehen kann? Könnte von Schmeling nicht die beschämen, die lieber verdrängen oder beschönigen?

Die Grünen scheinen ein anderes Verdrängungsprogramm abzuspulen: Wir sind die Partei der Opfer. Ein Täter unter uns, das kann nicht sein. Und wenn er doch unter uns ist, dann nur ohne unser Wissen. Ein Stück Arroganz läßt sich aus Trittins markigem Text auch herauslesen: Selbst grüne WählerInnen sind zu blöd, zwischen reuigen Sündern und verstockten alten Kameraden zu unterscheiden. Also lieber auf Nummer Sicher setzen, raus mit der Altlast und wieder rein in den Wahlkampf. Auch so, von links, kann man Chancen vergeben zu ein produktiven Umgang mit dem 8. Mai. Andrea Dernbach

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