: „Der Ernst der Lage ist allen klar“
Wenn die Bundes-PDS ihre Krise nicht produktiv löst, ist auch der Landesverband in seiner Existenz bedroht, findet Landeschef Stefan Liebich. Er will zwar Berliner im neuen Vorstand – lehnt aber selbst bundespolitische Weihen ab
taz: Herr Liebich, Sie plädieren dafür, junge Landespolitiker in den neuen PDS-Bundesvorstand zu integrieren. Zum Beispiel sich selbst?
Stefan Liebich: Ausdrücklich nicht. Ich meine nur, dass ein Vorstand die ganze PDS widerspiegeln muss. Dazu gehören sowohl die Reformer vom Anfang der 90er-Jahre als auch ältere Genossen. Und eben jüngere Politiker der Kommunalpolitik, aus Landtagsfraktionen und Vorständen, die unsere Politik bereits maßgeblich beeinflussen.
Nur fürs Protokoll: Sie schließen beides aus – Zimmer-Nachfolge als Parteichef und Kandidatur für den Vorstand?
Ja. Ich habe als Partei- und Fraktionschef bereits zwei Ämter in Berlin. Es gibt Leute, die schon das zu viel finden.
Wenn der Bund ruft, wäre es nicht das erste Mal, dass sich ein Landesverband fügen muss.
Bei uns ist „sich fügen“ nicht üblich. Außerdem gibt es in Berlin auch mehr, die in Frage kommen, als Stefan Liebich.
Nämlich?
Es tut mir Leid für Sie. Aber vor der Entscheidung nennen und bewerten wir keine Namen.
Das Image des Landesverbandes ist in der PDS nicht das beste. Wären die – anonymen – Kandidaten mehrheitsfähig?
Das müssen wir eben vorher bedenken. In allen bisherigen Parteivorständen saßen Berliner, so wird es auch künftig sein.
Haben Sie Gabi Zimmer eigentlich zur Rücktrittsentscheidung gedrängt?
Diese Debatte gab es bei unseren Treffen gar nicht. Bereits zu Beginn machte sie klar, dass sie nicht mehr für ein Amt kandidieren wird. Sie vermutet, dass sie die hohe Integrationsfunktion jetzt nicht mehr hat, die sie noch beim Parteitag in Gera besaß.
Wie muss sich die PDS auf dem wahrscheinlichen Sonderparteitag orientieren?
Sie muss sich in der gegenwärtigen politischen Debatte der Bundesrepublik zurückmelden. Sprich: auf Schröders Agenda 2010 und die noch schlimmeren Alternativen von CDU und CSU reagieren. Dazu werden wir, Gabi Zimmer, die sechs ostdeutschen Landeschefs in Abstimmung mit West-Landesvorsitzenden, einen Alternativvorschlag anbieten.
Die „Agenda Sozial“, die Zimmer in der letzten Woche präsentierte, ist schon wieder Altpapier?
Sie ist ein kurz gefasstes Papier zu einem sehr späten und dringend notwendigen Zeitpunkt. Sie wird die Grundlage eines ausführlicheren Antrages werden.
Was, wenn die Bundes-PDS auf dem Sonderparteitag die Weichen auf Fundamentalopposition stellt?
Das wird nicht passieren. Der Ernst der Lage ist allen klar. Die Leute, die Politik gestalten wollen, werden eine breite Mehrheit finden. Und wir werden uns mittelfristig in der Bundespolitik zurückmelden.
Das ist schon in Gera nicht gelungen. Woher kommt dieser Optimismus?
Von der Verabredung der sechs ostdeutschen Landeschefs und Gabi Zimmer, das Ganze gemeinsam anzugehen. Unser inhaltlicher Entwurf wird andere Mehrheiten abbilden als in Gera.
Und wenn es nicht gelingt?
Dann haben wir ein ernstes Problem. Wenn wir diese Krise nicht produktiv lösen, dann wars das mit der PDS auf bundespolitischer Ebene …
… und mit Zeitverzögerung auch für den Berliner Landesverband?
Er wird alleine nicht existieren können. Wir haben schließlich einen bundesweiten, sozialistischen Anspruch.
INTERVIEW: ULRICH SCHULTE