■ Der Entscheid der drei bosnischen Parlamente: Der bosnische Krieg ist nicht beendet!
Überraschend kamen die Entscheidungen der „Volksvertretungen“ der Kriegsparteien nicht. Karadžić und sein selbsternanntes bosnisch-serbisches Parlament zeigten sich zufrieden. Tatsächlich ist jetzt unter Mithilfe von Lord Owen der Korridor von Serbien nach Banja Luka und damit den serbisch beherrschten Gebieten in der bosnischen und kroatischen Krajina gesichert. Ein demilitarisiertes Sarajevo unter UNO-Verwaltung erfüllt de facto die serbischen Forderungen. Die ehemalige Hauptstadt verliert ihre Identität und kann nicht mehr als Regierungssitz Restbosniens fungieren.
Nicht so zufrieden zeigten sich die Kroaten. Angesichts der militärischen Niederlagen der letzten Wochen gegenüber der Bosnischen Armee und des verheerenden Eindrucks, den Mate Bobans Regime angesichts der Terrorpolitik gegenüber den eingeschlossenen Muslimanen in Mostar in der Weltöffentlichkeit hinterließ, ist das Stück vom Kuchen schmaler ausgefallen als erwartet. Der am Samstag ausgerufene Staat Herceg-Bosna hat seit dem ersten Vance-Owen- Plan fast ein Drittel des angestrebten Territoriums verloren. So bleiben die Vorbehalte erheblich. Und das Zeichen, das schon in der letzten Woche durch die Neugruppierung der kroatischen Streitkräfte HVO gegeben wurde, bedeutet nichts Gutes. Ein neuer Waffengang in Zentral-Bosnien droht.
Die Arroganz der Macht aus den Gewehrläufen und die faschistischen Haltungen, die sich in dem Hin- und Herschieben der Landesteile bei beiden „Führern“ ausdrücken – sie ist nur noch zu konstatieren. Die Menschen werden nicht befragt, die nun, seien sie Muslimanen, Serben oder Kroaten, aus den „ethnisch reinen“ Gebilden der „anderen“ endgültig zu verschwinden haben. Das konnten die Redner des bosnischen Parlaments in Sarajevo nur mehr beklagen, nicht mehr ändern. In dieser ausweglosen Situation zeigen sich die Umrisse nationalistisch-muslimanischer Politik. Wird das Land geteilt, so wird der aus der Resignation geborene Wunsch mancher muslimanischer Politiker, einen von Moslems völlig dominierten Staat zu bilden, übermächtig werden. Auch Bosniens Präsident Izetbegović wehrt diese Perspektive jetzt nicht mehr ab. Aber angesichts der Ablehnung des Planes zu den jetzigen Bedingungen durch Sarajevo stehen die Zeichen sowieso auf Krieg. Es ist anzunehmen, daß die „Welt“ die Bosnier deshalb verdammen wird. Aber auch nach Bildung eines Moslemstaates ist der totale Genozid an den Muslimanen Bosniens nicht ausgeschlossen. Denn ihr Überleben hinge nach wie vor vom „guten Willen“ der anderen Seiten ab. Erich Rathfelder
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