: Der Ehrenkodex von Verbrechern
■ Barbet Schroeders Remake der Schwarzen Serie Kiss Of Death schlägt ins Klischee um
Mein Gott, was sieht Nicolas Cage in dem Film scheiße aus. Bärig, haarig, bärtig, mit debilem Blick und völlig uncoolen Klamotten, so prügelt er sich als Gangsterboß durch die Handlung. Zuviel Bodybuilding hat er auch getrieben. Und in einigen Szenen – so einmal beim Tanzen; ein anderes Mal, als er einen Verräter mit bloßen Fäusten tot schlägt – legt er einen Poser auf die Leinwand, als wolle er alle bisherigen Gangsterdarstellungen nicht einfach nur überbieten, sondern gleich in Grund und Boden rammen.
Nicolas Cage ist – man braucht es kaum zu sagen – in Barbet Schroeders Film Kiss Of Death der Böse. Er ist es so sehr, daß man ihm nicht böse sein kann, zumal er auf der anderen Seite – er ist Asthmatiker – Schwächen zeigt. Das Ganze ist ein Remake eines Klassikers der Schwarzen Serie gleichen Namens aus den 40er Jahren. Und David Caruso spielt Jimmy Kilmartin, den Guten (der so gut ist, daß man so richtig mitleiden nicht kann).
In den Mainstream-Hollywood-Produktionen sind die Grenzen zwischen Gut und Böse längst verwischt. Auch die bad guys werden längst nur an ihren Entertainment-Qualitäten gemessen. Barbet Schroeder dagegen bemüht sich in Kiss Of Death, das Rad ein wenig zurückzudrehen. Sein Interesse an Authentizität ist den Bildern dieses Films bis ins letzte Detail anzusehen. Und die Handlung erzählt nicht von den Show-Werten des Verbrechens und der Verbrechensbekämpfung (wie Wesley Snipes, Sylvester Stallone usw. es verkörpern), sondern eine dreckige, kleine Geschichte von der Straße. Aber so ehrenwert das sein mag und so schön heimelig man sich im Kinosessel hin und wieder an realistische Charakterstudien aus dem Kino der späten 70er Jahre erinnert fühlt, gegen die Zeitläufte kommt Barbet Schroeder nicht an. Und durch die von Nicolas Cage verkörperte Figur des Little Junior hat auch die Tendenz zur Show Eingang in die Inszenierung gefunden.
Darüber hinaus ist es erstaunlich, wie viele Handlungsbausteine Barbet Schroeder aufbieten muß, um seiner Geschichte Kontur zu verleihen. Da geht es um Verrat und um Männerfreundschaft, um Undercover-Aktionen und um den Kampf eines Mannes, in der Gesellschaft Fuß zu fassen, um Autodiebstahl und den Versuch, die Familie zu beschützen, um heimliche Tonbandaufnahmen und um den Ehrenkodex von Verbrechern, um Vater-Sohn-Beziehungen – für einen Film, der von der Ausstattung und Inszenierung her den Anspruch erhebt, aus dem Kosmos der Alltäglichkeit zu kommen, ist die Handlung ein bißchen zu sehr zusammengesetzt.
Aus irgendeinem Grund gilt Barbet Schroeder als realistischer Regisseur. Aber wie schon in Barfly faßt er hier die Realität an den herausgehobenen Punkten, an denen sie von sich aus ins Klischee umschlägt. Dirk Knipphals
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