■ Standbild: Der Deal
Spiegel-TV-Reportage“, Di., 23 Uhr, Sat.1
Die Personen könnten kaum unterschiedlicher sein. Während auf den Archivbildern eine wunderschöne junge Frau, blutverschmiert, die Finger zum Victory-Zeichen erhoben, wild entschlossen „Kill me, kill me!“ schreit, zeigt die Aufnahme in Jetztzeit eine nachdenkliche ältere Dame, die nach Worten sucht und äußerlich einen sehr zerbrechlichen Eindruck macht.
Und doch ist es ein und dieselbe Person. Eine Frau, die in den letzten 18 Jahren vom deutschen und israelischen Geheimdienst gejagt wurde, bis sie im Oktober 94 in Oslo verhaftet wird. Souhaila Sayeh ist die Palästinenserin, die als einzige des vierköpfigen Entführungskommandos den Sturm der GSG9 auf das entführte Lufthansaflugzeug in Mogadischu überlebte – mit sechs Kugeln im Körper. – Souhaila Sayeh ist immer noch in Oslo, genießt zur Zeit Haftverschonung und wartet angespannt auf den Ausgang eines Auslieferungsverfahrens nach Deutschland. Spiegel-TV ist es gelungen, sie zu einem Interview zu bewegen, in dem sie über ihre damaligen Motive Auskunft gibt. Was sie dazu sagt, überrascht nicht. Eher, wie sie mühsam Sätze formuliert, um Verständnis wirbt und ihr Bedauern ausdrückt, daß Unschuldige involviert wurden und der Pilot Schuhmann ermordet wurde.
Das Interview zeichnet den Ablauf der Entführung nach. Dabei hätte man gern mehr über die Frau Souhaila Sayeh erfahren. Wie sie in Oslo lebt, wie sie vorher gelebt hat. Manchmal kommt eine Ahnung davon hoch, welchen Zusammenbruch sie bei einer Auslieferung erleiden würde, doch der Film geht auch dem nicht nach. Selbst ein anderer Punkt, für Spiegel-Chef Stefan Aust sicher die brennendste Frage im Fall Mogadischu, wurde nur angedeutet. Wer war die Frau, die dem Kommando die Waffen nach Mallorca brachte? „Es fiel mir nicht leicht, mich daran zu erinnern“, sagt sie vor der Kamera. Tatsächlich haben ihr Vernehmer des BKA den Namen nicht entlocken können – erst Tage danach gab sie ihn vor der norwegischen Polizei zu Protokoll. Es handelt sich um Monika Haas, die seitdem in Untersuchungshaft sitzt. Während Spiegel-TV sich dadurch in seinen Recherchen bestätigt sieht, vermutet der Anwalt von Haas einen Deal: Bei Preisgabe des Namens verzichte die Bundesanwaltschaft auf die Auslieferung. Die Entscheidung steht noch aus. Jürgen Gottschlich
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