Der Dacia und die Krise: Plastikgabel auf Rädern
Der Dacia aus Rumänien steht wie kein zweites Auto für die Krise. Er ist schmucklos, veraltet, billig. Und gerade deshalb erfolgreich. Wenn unsere Ära ein Gesicht hat, dann das banale dieses Autos.
Statussymbole haben ausgedient. Wir befinden uns dort, wo man in besseren Tagen den Tiefpunkt vermutet hätte, von dem aber nun keiner weiß, wo er wirklich ist. In dieser unsicheren Lage nutzt man entweder was man hat oder zeigt es auch nicht gerade. Ein Symptom dieser zwischen Not und Bescheidenheit gelagerten Verfassung ist der Erfolg der Marke Dacia - die bucklige Ostverwandtschaft eleganter Franzosen, nämlich Renaults. Keine Carla Bruni räkelt sich zu Werbezwecken hier mit Gitarre auf dem Rücksitz. Zu ihm passt eher Cindy aus Marzahn.
Während die Wagen der Muttergesellschaft auf der Halde verstauben, rollen die Dacias aus dem Werk in Rumänien in das gesamte krisengeschüttelte Europa. Denn: Wer kein Geld hat und trotzdem ein Auto braucht, wird den Dacia, ob als Stufenheck, Kompaktwagen oder Kombi, relativ sicher in Erwägung ziehen, egal wie die Entscheidung dann letztlich ausfällt.
Schon ohne die Finanzkrise, die Wirtschaftskrise, ja: die Vertrauenskrise, fühlten sich manche Autokäufer so gebeutelt, dass sie sich von den statusvermittelnden Modellen anderer Hersteller abwandten. Dieses Billiggefährt nun erfüllt zwar alle gesetzlichen Normen und Anforderungen, verhält sich aber sonst wie Plastikgabeln im Vergleich zum wesentlich teureren WMF-Besteck. Es erfüllt die Funktion, mehr aber nicht. "Der Markt hat sich gut entwickelt", sagt Reinhard Zirpel, Sprecher der Renault-Gruppe in Deutschland und somit auch für Dacia verantwortlich. Zwar verkaufe sich die Marke überall, aber dank der Abwrackprämie werden nirgendwo in Europa mehr Dacias verkauft als bei uns. "Im Januar diesen Jahres haben sich die Kundenkaufanträge versechsfacht", bestätigt Zirpel.
Dabei sollte es nach dem ursprünglichen Plan dieses Auto, von dem sich in Deutschland im letzten Jahr allein 25.000 Stück verkauften, bei uns gar nicht geben. Dacia, eine marode Ostmarke und ehemaliger Staatskonzern, wurde 1999 von Renault übernommen, schon vorher waren die beiden einander durch Lizenzverträge verbunden. 2004 wurde der von Renault entwickelte Dacia Logan in Rumänien auf den Markt gebracht, kurz danach tauchten die ersten Grau-Importe in Deutschland auf und 2005 führte Renault das Modell dann auch mit einer kommunistisch inspirierten Werbung in Deutschland ein. Der genaue Gegensatz zur großspurig angekündigten Einführung des Tata Nano aus Indien. Auf den werden wir doch noch etwas warten müssen.
Den Erfolg des Dacia in Deutschland kann man auch nicht nur als Zeichen lesen, sondern auch ganz real negativ sehen. Vor allem in einer Woche, in der Volkswagen zum ersten Mal seit 26 Jahren in die Kurzarbeit geht. Da werden von der staatlich finanzierten Abwrackprämie keine Polos oder Corsas gekauft, sondern das da. Während Frankreich nur seine eigene Autoindustrie unterstützt, sich also klar protektionistisch geriert.
Auch davon abgesehen gibt es gute Gründe, sich über den Erfolg des Minimalvehikels Gedanken zu machen. Bei der Einführung des Dacias klagten Umweltschützer über den relativ hohen Spritverbrauch und CO2-Ausstoß. Die neuen Modelle, beim Logan ist es nicht geblieben, schneiden zwar deutlich besser ab. Doch zukunftsweisend ist man mit einem Dacia sicher nicht unterwegs.
Zwei Käufergruppen sieht man im Dacia durch die Lande rollen. Diejenigen, die sich kein besseres Auto leisten können. Und jene Käufer ohne Interesse an einem besseren Auto. Man glaubt folglich, der Purismus einer bestimmten Käuferschicht könne auch dann einen Marktanteil sichern, wenn sich die Krise - die Finanzkrise, die Wirtschaftskrise und auch die Vertrauenskrise - wieder gelegt hat. Eine wacklige Theorie.
Denn am Ende bleibt der karge Dacia ein Auto, das jeden Fortschritt aus Kostengründen - und nicht aus ideologischen Erwägungen wie dem Umweltschutz - verweigert. Taugt er somit als Symbol unserer Zeit? Vielleicht für eine traurige, kurze Zeit. Mehr nicht.
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